
© Romanfabrik
Der Vorstand der Romanfabrik: Linda Reisch, Gregor Praml, Ruthard Stäblein. Gregor Praml wird neuer Leiter der Romanfabrik.
Nach dem unerwarteten, frühen Tod des Geschäftsführers und künstlerischen Leiters Dr. Michael Hohmann Ende letzten Jahres hatte Ruthard Stäblein die kommissarische Leitung der kulturellen Einrichtung übernommen. Am 1. November übernimmt nun Gregor Praml die künstlerische Leitung sowie die Geschäftsführung der Romanfabrik.
Interview: Heidi Zehentner
>> Romanfabrik (Hanauer Landstraße 186), Frankfurt, romanfabrik.de
Über dreißig Jahren gibt es die Romanfabrik bereits. In einer Kellerkneipe in der Uhlandstraße fanden regelmäßig Lesungen, Autorengespräche und sonstige literarische Veranstaltungen statt. Das Programm wurde zunächst von den „Romanfabriklern“ gestaltet, auch den Betrieb der Kneipe übernahmen Zingler, Lerche und andere Autoren aus dem Haus. Am 9. Oktober 1985 wurde der Verein „Romanfabrik e. V.“ gegründet. Doch das Projekt, gestartet in einer Zeit, in der es für Literat:innen und Künstler:innen noch keinen festen Ort in Frankfurt gab, geschweige denn ein Haus für die Literatur, musste umziehen. 1998 lief der Mietvertrag für den Keller in der Uhlandstraße aus. Der Frankfurter Großinvestor Ardi Goldman plante, das Gelände des ehemaligen Frankfurter Brauhauses auf der Hanauer Landstraße neu zu gestalten und dort auch einer Kultureinrichtung Platz zu bieten. Nach langem Nachdenken und zahlreichen Diskussionen entschloss sich der Verein Romanfabrik, das Wagnis einzugehen und den Umzug zu wagen. Nach einer Übergangszeit in anderen Lokalitäten – der Bau der Wirkungsstätte war noch nicht vollendet –, zog die Romanfabrik schließlich in seine bis heute aktuelle Wirkungsstätte auf der Hanauer Landstraße. Fast hunderttausend Besucher:innen und einige Tausend Künstler:innen und Autor:innen waren bis dato zu Gast in der Romanfabrik, die ihren Platz im Frankfurter Kulturleben gefunden und etabliert hat. Und das soll das Haus nicht nur auf Wunsch der Romanfabrikler:inen mindestens weitere dreißig Jahre, und das wäre auch ganz in unserem Sinne.
Gregor Praml
49 Jahre, verheiratet, lebt in Frankfurt, Vater Willy Praml (Theater Willy Praml)
Diplommusiker mit Hauptfach E-Bass und Kontrabass, freier Redakteur für den Hessischen Rundfunk, künstlerischer Leiter des renommierte Weltmusikfestivals Kassel, Initiator „Literatur.Jazz“ und „Solo.Jazz“, Gastgeber der Konzert-Talk-Reihe „The LOKAL Listener – Gregor Praml trifft ...“
Neuer Leiter der Romanfabrik. Wie kam es dazu und was bedeutet dir die Ernennung?
Ich erinnere mich nur zu gut an die Verleihung der Ehrenplakette der Stadt Frankfurt an meinen Vater, Willy Praml, im vergangenen Jahr im Dezember im Kaisersaal des Römers. Michael Hohmann war auch da. Frisch sah er für mich aus. Ich kannte ihn nur als „den Leiter der Romanfabrik“ und von einigen anderen Begegnungen, aber wir haben uns nie persönlich gesprochen. Wenige Tage danach erreichte mich die traurige Nachricht über sein plötzliches Ableben. Danach erst einmal wieder Stille, was die Romanfabrik anging. Mitte dieses Jahres kam dann ein Anruf des Vorstands des Vereins Romanfabrik e.V., sie würden mich gerne treffen wollen. Das haben wir getan und wir haben gemeinsam in einem sehr guten Prozess den Weg geebnet, dass ich jetzt das Amt des Geschäftsführers und künstlerischen Leiters übernehmen kann und werde.
Natürlich bedeutet mir das einiges. Ich bin selbst Kind eines Theaterleiters. Ich habe viel davon erlebt, erfahren und fühle mich gut gerüstet, um selbst nun in die Verantwortung für dieses wirklich schöne Haus zu gehen.
Inwiefern warst und bist du der Romanfabrik verbunden?
Die Romanfabrik ist eine der wichtigen Institutionen der kulturellen Landschaft in Frankfurt. Ihr Programm mit der Mischung aus Literatur, Musik und Debatten ist in der Stadt ein wichtiger Ort. Ich habe dort über die Jahre einige Veranstaltungen besucht. Aus Musikersicht ist mir natürlich die Verleihung des Jazzstipendiums der Stadt Frankfurt immer in Erinnerung. Wenn man genauer hinguckt, hat dieses Haus aber auch schon einige aufsteigende Künstler:innen erlebt, die heute in weitaus größeren Spielstätten ihr Publikum begeistern können. Das gilt sowohl für die Literatur wie die Musik.
Die Romanfabrik widmet sich vorrangig der Lyrik. Wie passt das zu einem Vollblutmusiker?
Interessant, dass mir gerade diese Frage immer wieder gestellt wird. Das Haus hat ja ein ebenso vielseitiges Musikprogramm, das ja auch künstlerisch betreut werden will. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich kein Literaturwissenschaftler bin, aber ich habe als Komponist und Bühnenmusiker viel Theatererfahrung und habe dort natürlich ständig mit Literatur zu tun. Ich werde in Zukunft erst einmal die Beratung aus dem Vorstand der Romanfabrik in Anspruch nehmen, die mir sehr wohlwollend zugesagt wurde. Darüber hinaus werde ich aber auch selbst meine Fühler weiter in Richtung Literatur ausstrecken.
Es gibt doch sicherlich Ideen, die du zukünftig umsetzen möchtest …
Natürlich gibt es einige Ideen. Ich habe dem Vorstand schon zu Beginn der Anfrage erste Ideen skizziert. Jetzt geht es aber erst einmal darum, die Leitung als solche zu übernehmen und die Grundstrukturen für mich zu sichten und zu ordnen. Dafür werde ich ein Programm betreuen, das noch stark in Kooperation mit der Interimsleitung abgestimmt ist. Erste Ideen will ich auch da schon einbauen – dazu aber mehr zu gegebener Zeit.
Was wird aus deinen anderen Projekten? Ist für LOKAL Listener noch Platz?
Letzteres zuerst: Ganz genau, der LOKAL Listener kommt mit mir mit! Ab 2024 wird der KonzertTalk fester Bestandteil des Programms der Romanfabrik werden. Ich freue mich, an dieser neuen Wirkungsstätte wieder viele Gesichter – bekannte und weniger bekannte – als Gäste begrüßen zu können, um sie einem interessierten Publikum vorzustellen.
Die Geschäftsführung und künstlerische Leitung des Hauses hat für mich in der kommenden Zeit Priorität. Der Vorstand des Vereins hat aber darum gebeten, dass ich als Künstler im städtischen Kulturleben sichtbar bleibe. Es wird daher auch weiterhin einige Veranstaltungen und Projekte geben, an denen ich gerne aktiv präsent bleibe – unter anderem ist am 25. November noch einmal ein LOKAL Listener zu Jimi Hendrix im Künstler:innenhaus Mousonturm, zu dem ich einige Gäste haben werden: u.a. den Rapper Bosca, die Band Sun’s Sons und die Schauspielerin Katharina Bach (siehe S. 8).
Und nun noch dein ganz persönlicher Eventtipp für den November in der Romanfabrik?
Ich würde im November auf jeden Fall zum Abend mit dem Autor Raoul Schrott gehen. „Inventur des Sommers“ ist er überschrieben und findet am 28.11. um 20 Uhr statt. Schrott kommt aus Tirol und ist ein total spannender Künstler zwischen Lyrik, Literatur und Wissenschaft.
Ich gebe übrigens auch künstlerisch mein persönliches Stelldichein in der Romanfabrik: Das wird aber erst am 12.12. mit dem Schauspieler Peter Schröder sein. Wir werden gemeinsam eine Konzert-Lesung anlässlich des 100. Geburtstags des Autors Jorge Semprún geben. Sein Roman „Was für ein schöner Sonntag!“ spielt im KZ Buchenwald. Ich bin dieser Geschichte daher persönlich verbunden, weil ich in Weimar Musik studiert habe und dort x-Male das Konzentrationslager auf dem Ettersberg besucht habe und mich mit dieser Zeit und dem Geschehen dort auseinandergesetzt habe. Dabei fiel mir auch Semprúns Roman in die Hände. Es bedeutet mir viel, diesem Buch nun künstlerisch begegnen zu können und damit auch in der Romanfabrik die Disziplinen Literatur und Musik an einem Abend zu verbinden!