
© Karl Grünkopf
Hier könnten Thriller spielen - die Unterführung in Flein.
Vom Hauptbahnhof Heilbronn geht es weiter mit dem Bus nach Flein, einem kleinen Ort in Baden-Württemberg mit 7.500 Einwohnern. Der Fahrer ist noch eine Respektsperson und weist einen Passagier harsch darauf hin, dass “hier nicht gegessen wird”. An der “Sommerhöhe” steige ich aus und laufe einen guten Kilometer durch ruhige Straßen mit soliden Ein- oder Mehrfamilienhäusern; davor stehen die üblichen Mittelklassewagen. Kaum jemand ist um 18 Uhr zu Fuß unterwegs, erstaunlich viele Fenster sind dunkel. Hier wohnt gediegener Mittelstand. Siedlungen wie diese könnten irgendwo in Deutschland sein. Zumindest der Name meines Hotels fällt auf: “Wo der Hahn kräht”, ein wuchtiger Bau aus den 70er oder 80er Jahren. Ich checke ein, fülle den Meldezettel aus, den die Betreiber zwei Jahre lang aufheben müssen. Es ist eben (fast) alles geregelt hierzulande. Das macht Deutschland aus, daher rühren nicht wenige Probleme. Allein 3.500 Bauvorschriften soll es geben.
Auf dem Weg zur Feier “30 Jahre Moritz” muss ich durch eine Unterführung laufen, die mich sofort fasziniert. Sie ist nur 1,90 m hoch und voller Graffitis. Ich muss mich beim Gehen etwas bücken; es ist ein bisschen unheimlich plötzlich in Flein. So könnten Thriller beginnen. Ich erreiche unbehelligt die Kulturhalle Flina, wo mein Geschäftspartner heute seinen ganz großen Auftritt hat. Wie die vielen Gäste erfahre ich im Laufe des Abends einiges über die Gründung & Entwicklung des Stadtmagazins “Moritz”, das inzwischen mit elf Ausgaben bis nach Stuttgart erscheint. Vor dem bunten Programm muss ich mich auf den Weg machen – kurzfristig hat die GDL zum Streik aufgerufen, mitten in den Verhandlungen und mit einer Vorwarnzeit von nur 24 Stunden. Mit ihrem Ego-Shooter Claus Weselsky an der Spitze nutzt diese Spartengewerkschaft rücksichtslos ihre privilegierte Position, um die Interessen ihrer Mitglieder durchzupeitschen.
Zurück durch den Gruseltunnel ins Hotel. Nachrichten hören, den nächsten Tag vollkommen neu planen. Statt nach Frankfurt geht es gleich nach Berlin, mit dem Bus, zwei Regionalzügen und dem ICE. Das Risiko mehrerer Umstiege nehme ich in Kauf. In einem uralten Zug – die Datumsanzeige steht auf dem 31.03.2004 - fahre ich nach Würzburg. Vom bayrischen Wahlkampf hängen auf einem Bauhof noch die Plakate der AfD - “Kein Krieg gegen Russland”. Mit solchen Parolen wurden die Rechtspopulisten zur drittstärksten Kraft im Freistaat und strafen alle Lügen, die immer noch glauben, die sogenannte “Alternative für Deutschland” wäre nur in Ostdeutschland erfolgreich. Die Zukunft nimmt sich derzeit jedenfalls gruseliger aus als die Unterführung in Flein, die ich niemals vergessen werde. Zumindest die Anschlüsse in Würzburg und Bamberg wurden sicher erreicht – ein Lichtblick!
Erk Walter
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