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Emma Stone als Bella in "Poor Things". Photo by Yorgos Lanthimos, Courtesy of Searchlight Pictures.
Mit der Berlinale 2024 geht die Ära von Carlo Chatrian (Künstlerischer Leiter) und Mariëtte Rissenbeek (Geschäftsführung) zu Ende, die von Beginn an unter keinem guten Stern stand. Sie starteten mit Corona, dann sprangen reihenweise Sponsoren ab, die staatlichen Mittel wurden zusammengestrichen, Kinos machten dicht, andere Spielstätten waren wegen Renovierung geschlossen. Mit einem Politikum geht ihre Zeit in Berlin nun zu Ende. Auf ihrer Seite verkündete die Berlinale einen Rückzieher; der Druck aus der Branche war offensichtlich zu stark geworden. “Gerade auch angesichts der Enthüllungen, die es in den vergangenen Wochen zu explizit antidemokratischen Positionen und einzelnen Politiker*innen der AfD gab, ist es für uns – als Berlinale und als Team – wichtig, unmissverständlich Stellung zu beziehen für eine offene Demokratie. Wir haben daher heute alle zuvor eingeladenen AfD-Politiker*innen schriftlich ausgeladen und sie darüber informiert, dass sie auf der Berlinale nicht willkommen sind“, schreibt das Leitungsduo der Berlinale (08.02.24) Das sind ehrenwerte und nachvollziehbare Motive, zumal sich das größte Publikumsfestival der Welt immer schon politisch verstanden hat.
Der Medienhype spielt indes der AfD in die Hände und wird von den Rechtsradikalen weidlich für ihre Propaganda ausgeschlachtet – die sog. Systemparteien würden die AfD ausschließen. Die publikumswirksame Aktion läuft damit Gefahr, über kurz oder lang nach hinten loszugehen. “Die Ausladung der fünf AfD-Politiker könnte”, befindet David Steinitz in der SZ, “Wasser auf die Mühlen der Kultur- und Diversitätsfeinde sein, die sich in all ihren Vorurteilen gegenüber der Berlinale und des Berliner Polit- und Kulturbetriebs nur zu gerne bestätigen lassen. Weniger Aufmerksamkeit und Publicity hätte die AfD - mal wieder - vermutlich ohne diese Ausladung bekommen.” (09.02.24)
Das Programm der Berlinale 2024 liest sich jedenfalls vielversprechend, wenn auch die großen Filme in Cannes oder Venedig ihre Premieren feiern. “Poor Things”, ein neues Meisterwerk von Yorgos Lanthimos, hätte der Berlinale gut zu Gesicht gestanden. Die Uraufführung fand aber am Lido statt, und bis dato hat der Film schon einige Preise eingeheimst. Für die Oscars, die Anfang März verliehen werden, gibt es 11 Nominierungen, natürlich auch für Emma Stone. “Lanthimos’ schwarzromantische Sexhorrormär”, befindet Horst E. Wegener, “folgt dem Roman des Schotten Alasdair Gray, der wiederum als feministische Überarbeitung des Frankenstein-Themas von Mary Shelley bei der Kritik gefeiert wurde. Die filmische Adaption, ein visuell surreal-wuchtiger Trip, bekam im Vorjahr in Venedig den Goldenen Löwen zugesprochen – und beschert Emma Stone für ihre unerschrockene Performance die Rolle ihres Lebens.” (FRIZZ Das Magazin für Frankfurt 01/24) “Poor Things” (141 Min.) hat bis jetzt in Deutschland fast 300.000 Besucher:innen angezogen. Immerhin.
Erk Walter
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