© Immo Schulz-Gerlach auf Pixabay
Die erste Fahrt nach Frankfurt in 2024 lässt sich gut an. Der ICE ist mäßig besetzt, die Bordgastronomie ist geöffnet. Bis Erfurt also eine Fahrt, die keine Wünsche offenlässt. Dann bleiben wir dort im Bahnhof verdächtig lange stehen; irgendwann kommt doch eine Durchsage - Signalstörung auf dem vor uns liegenden Streckenabschnitt. Nach einer Stunde geht es weiter mit einem Umweg über Würzburg. Kann passieren, passiert immer häufiger, weil die Infrastruktur des Schienennetzes in Deutschland schon lange in keinem guten Zustand mehr ist. Wie so oft und nicht bloß bei der Deutschen Bahn hapert es an der Kommunikation. Tags darauf wird in ganz Hessen Extremwetter erwartet; reihenweise fallen S-Bahnen und Züge aus. Wir stehen am Gleis und warten. Plötzlich wird auf der Anzeigetafel still & leise ein Gleiswechsel angezeigt - alle rennen los. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn der Regionalzug steht noch lange im Bahnhof. Irgendwann vermeldet der Lokführer eine Störung, er wisse nicht, wann es weitergehe.
Dass es sog. Störungen im Betriebsablauf geben kann, wissen Vielfahrer natürlich aus leidvoller Erfahrung. Jede Reise ein kleines Abenteuer. Dass es mit der Kommunikation hapert, ist ein Skandal. Und doch so typisch für die aktuelle Lage hierzulande. Plötzlich fallen uns die beschaulichen Merkel-Jahre auf die Füße. Krisen, wohin man schaut: Bauernproteste, marode Schulen, Straßen und Schienen, Mangel an bezahlbaren Wohnungen, eine bedingt einsatzfähige Bundeswehr, Geldnöte in einem der teuersten Gesundheitssysteme der Welt, eine verschlafene Wende in der Energie- und Umweltpolitik. Das alles soll eine Koalition stemmen, die sich schon lange nicht mehr grün ist und - wie so viele – unterschätzt hat, “wie ernsthaft die Bedrohungen für unsere Demokratie inzwischen geworden sind.“ (Thomas Haldenwang). Das Unwort des Jahres ist nicht vom Himmel gefallen, von der ”Remigration” war sogar schon im Bundestag die Rede.
Zumindest formiert sich jetzt die Mitte der Gesellschaft gegen die AfD und namentlich gegen den Faschisten Björn Höcke. Eine Petition “Wehrhafte Demokratie: Höcke stoppen” haben fast eineinhalb Millionen Menschen unterschrieben. Ziel der Aktion: die Bundesregierung, das Parlament oder der Bundesrat sollen beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung für Björn Höcke stellen. Dagegen werden nun mit Gründen Bedenken erhoben: man müsste der AfD politisch Paroli bieten, das Verfahren in Karlsruhe könnte Jahre dauern. Das eine darf das andere nicht ausschließen, darauf wies eindringlich ein Leser:innenkommentar von Ceebee am 13.01.24 auf taz.de hin: “Ich finde eine Diskussion darüber, ob wir besser dieses oder jenes gegen die Faschisten unternehmen, müßig. Wir sollten Alles gegen sie tun. Petitionen, persönliche Konfrontation, Massendemonstrationen, Verbotsanträge etc etc., es muss von allen Seiten kommen und es muss massiv sein!” In Zeiten wie diesen tut ein Abend mit der Dresdner Kabarettistin Anna Mateur so gut, die mit ihrem grandiosen Programm ”Kaoshüter” im Neuen Theater Höchst in Frankfurt begeisterte. Am besten haben mir ihre surreal überdrehten Geschichten gefallen, die sie zwischen ihre Songs streut. Sie und ihre beiden Buddies an der Gitarre haben nur ein Tagesvisum bekommen, verrät sie verschmitzt; dann wird es keine Probleme mit ihrer Remigration nach Dresden geben. Das Lachen bleibt mir im Halse stecken.
Erk Walter
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