© Karl Grünkopf
Durch den angeschwemmten Sand aus der Ostsee wird der Neubessin immer größer.
Wenn ich früher in den Urlaub gefahren bin, war ich weg. Irgendwann meldete ich mich bei den Eltern per Telefon, die Freunde bekamen Postkarten. Oft stand das genaue Ziel nicht einmal fest - irgendwo in der Toskana oder in Griechenland. Mit dem Beginn der Reise hörte die Arbeit auf, dann und wann meldete ich mich per Telefon im Büro oder bekam auch mal ein Fax. Der Job war ganz weit weg, und das war auch gut so. In unseren smarten Zeiten ist fast niemand mehr richtig verreist. Ständig sind wir auf dem letzten Stand, viele können nicht einmal beim Essen ihr Handy weglegen. Man isst & schweigt zusammen und starrt auf den Bildschirm. Stets wird der digitalen Kommunikation mehr Bedeutung beigemessen als der realen - ich hasse das! Längst ist bekannt, dass ständige Verfügbarkeit Stress bedeutet; allein, jede:r muss für sich das richtige Maß finden.
Es ist gar nicht so einfach, das Handy "nur" zum Fotografieren mitzunehmen und nicht schnell einmal zu gucken, ob es neue Nachrichten gibt. Bei unserem traditionellen Spaziergang auf den Altbessin hatte ich meinen Alleskönner ganz bewusst mitgenommen, denn ich wollte die riesige Sandbank fotografieren, die sich zwischen Hiddensee und Rügen immer weiter vergrößert. So hatten wir den Neubessin noch nie gesehen; betreten darf man das Naturschutzgebiet natürlich nicht. Wir hatten den Eindruck, das Eiland sei seit dem letzten Besuch sehr viel größer geworden; aber dem ist wohl nicht so, wie uns eine Mitarbeiterin im Nationalparkhaus Hiddensee versichert. Der Blick auf diesen Wandel der Natur ist atemberaubend, zwei Halbinseln wachsen langsam zusammen. Die Fähren scheinen wie auf Sand zu fahren.
Nicht bloß die Natur ändert sich laufend, auch die Verhältnisse auf der Insel bleiben natürlich nicht gleich. Mit Staunen lesen wir von einer Weinprobe für schlappe 80 Euro, die ein Shop namens "Goldperle" anbietet; das Zeltkino hat einen neuen Beamer (mit viel zu lautem Lüfter) bekommen und bietet eine "Männersache" an: gezeigt wird "Fast & Furious 10", zum Ticket für einen Zehner gibt's Popcorn und ein Bier. Das ist so wenig unser Hiddensee wie die launigen Kapitänsabende am Hafen und spricht ein anderes Publikum an. Die Hafenerneuerung von Vitte ist da schon ein anderes Kaliber. Dass eine Sanierung notwendig ist, steht nicht zur Diskussion. Eine schicke Modernisierung aber passt nicht zur Insel und wird ihre Ressourcen überlasten. Deshalb machen wir gerne bei der Bürgerinitiative HAFEN VITTE mit - "Hafensanierung und Schutz müssen sein, Massentourismus NEIN" ist ihre Parole. Wer wollte da widersprechen!
Erk Walter
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