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Nazim Alemdar und Alexander Zochowski vom Gewerbeverband "Treffpunkt Bahnhofsviertel"
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Der Kaisersack ist Geschichte, ab sofort empfängt das Kaisertor die vielen Menschen, die Tag für Tag über dem Hauptbahnhof ins Bahnhofsviertel kommen. Es tut sich was in Frankfurts „Problemviertel“.
Text & Interview: Heidi Zehentner
Absichtlich und bewusst kommen wir vom Hauptbahnhof aus in die Kaiserstraße, um uns von der Außenwirkung der Neuerungen ein Bild zu machen. Statt dem schlimmen Anblick der offenen Drogenszene ist dort nun ein Eingang, ein Tor installiert, mit Foodcontainer, Liegestühlen und viel Grün dekoriert und ausgestattet. Das neue Tor in die Frankfurter City soll zum Verweilen einladen. Bunte Linien weisen den Besucher:innen den Weg in die City. „Das ist erst der Anfang“, erklärt Alexander Zochowski vom Gewerbeverband „Treffpunkt Bahnhofviertel“, den wir zusammen mit Nazim Alemda im Gutleutcafé (nähe Wiesenhüttenplatz) treffen, ein weiteres Projekt der beiden. „Das Kaisertor soll zukünftig den Tausenden Pendler:innen und Besucher:inen einen guten ersten Eindruck vermitteln, ein ‚Willkommen‘ sein“, erklärt Nazim Alemda, Inhaber des Kultkiosk YokYok. Er und Alexander Zochowski sind Hauptakteure der Umgestaltung des Kaisersacks. Eine von vielen Maßnahmen der letzten Jahre, die das Bahnhofsviertel aufwerten sollen.
Feierliche Eröffnung. Viele Menschen sind gekommen, das Tor zu sehen und zu feiern. Eines fällt sofort auf: Keine wild herumliegenden E-Scooter. Dank des aktivierten Geofencings wird das „wilde" Abstellen auf Gehwegen verhindert. Wirtschaftsdezernentin Stephanie Wüst zeigt sich in ihrer Ansprache dankbar den Initiatoren gegenüber. „Schritt für Schritt fördern die Maßnahmen die Aufenthaltsqualität und tragen positiv zur Willkommenskultur und zum Image des Viertels bei.“ Mit Stephanie Wüst resümieren wir Möglichkeiten der Verbesserung. Zonen, in denen die Menschen sich zurückziehen können, etwa, Hygieneeinrichtungen zum Waschen, vielleicht eine Spenderbox mit dem Allernötigsten wie Unterwäsche. Ein dauerhaftes freies Wasserangebot …
Lebensmittelpunkt von 3.500 Menschen und Arbeitsplatz für 23.000 Beschäftigte
Wir sind ins Gespräch vertieft. Ein Mann kommt in das Kaisertor-Areal und beschimpft uns derb. Wir halten still, er geht wieder. Das sei Normalität, so Nazim Alemdar. Er lebt und arbeitet seit Jahrzehnten im Viertel … und will hier bleiben. „In den letzten Jahren seien so viele Geschäfte weggegangen, die das Viertel positiv belebt hätten, dafür ein Handyladen und ein Wettbüro nach dem anderen eingezogen. „Es gibt sicherlich gute Shops, aber sie machen das Viertel nicht attraktiver.“ Man habe in den letzten Jahren intensiv daran gearbeitet und zusammen mit der Stadt viele Dinge umgesetzt, um die Angst und Scheu vieler vor der Kaiserstraße und drumherum zu nehmen. „Die Drogenkranken und Obdachlose sind da und können auch nicht weggeredet werden.“ Alexander Zochowsi weiß, dass man Angebote schaffen muss, die den Menachem einerseits helfen, andererseits das Bahnhofsviertel sicherer macht. „Der sogenannte Drogentourismus rührt nicht zuletzt daher, dass sich umliegende Städte und Gemeinden nicht um ihre Suchtkranken kümmern und diese dann nach Frankfurt kommen. Doch allein kann Frankfurt all das nicht stemmen!“
Jede:r muss seinen Beitrag leisten!“ (Alexander Zochowski)
Der Kaisersack wird zum Kaisertor. Klingt doch schon mal viel besser …! Ein wenig wird es dauern, bis die Öffentlichkeit den Namen und das Angebot annehmen wird. Sich hier sicher fühlen wird. Ein Einsatzwagen der Polizei soll hier dauerhaft stationiert werden. Und das samt dem Kaisertor auch noch nach der EM. Der Gewerbeverein hat noch viel vor. Das Kaisertor, das aktuell nur für den Lieferverkehr freigegeben ist, soll weiter in die Kaiserstraße hineinlaufen und mehr Platz für die Gastronomie bieten, die dann wiederum, Frankfurter:innen und Besucher:innen zum Verweilen im „Problemviertel“ einladen soll. „Eine Durchmischung ist so wichtig“, weiß Nazim Alemdar. „Wir müssen mit allen Beteiligten immer und immer wieder sprechen“, ergänzt Alexander Zochowski, „und die Gastronomie, die Hausbesitzer:innen, die Ladeninhaber:innen mit der Stadt, der Polizei zusammenbringen. Ein enormer Aufwand und viel Arbeit, aber Aufgeben ist keine Option!“
Open Viertel Fest im August
Nazim Alemdar nimmt noch eine Getränkebestellung für ihr nächstes „Baby“ entgegen. Alexander Zochowski muss gleich zum Jürgen-Ponto-Platz, an dem eine kleine, aber feine Gastrobox ein ebensolches Angebot schaffen soll. Hier finden am 7. Juli auch die Bahnhofsviertel Classics statt.
Das Gutviertelcafe füllt sich mit jungen Leuten, denen gerade das nicht so Schicke besser gefällt, die den Berlin-Friedrichhain-Vipe mögen. Mittlerweile gehen viele von ihnen auf der Kaiserstraße feiern, einige Bars haben sich schon Kultstatus erarbeitet. Und genau das sei es, was das Image des Viertels nach und nach und nachhaltig verbessern könnte. Ohne dass der so besondere Charme im multikulturellsten Stadtteil Frankfurts verloren ginge.
Im August seht das Open Viertel Fest auf der Agenda, für das viele engagierte Menschen viel Zeit und Energie aufwenden werden. Dass es wieder, so wie im letzten Jahr, ein Erfolg werden wird, davon sind die Vorsitzenden des Gewerbeverbands Bahnhofsviertel überzeugt. Denn auch eine abgespeckte Version lädt zum Feiern ein. Vielleicht ein wenig leiser, aber nicht weniger intensiv. Apropos, wenn wir ein Attribut für das Viertel finden müssten, dann wäre wohl intensiv genau das richtige.