Foto: Max Galys / Eintracht Frankfurt
Die Eintracht startet in ihre erste Saison als Champions-League-Teilnehmer. Wir klären die wichtigsten Fragen zum Saisonstart.
Spielt die Eintracht wirklich gegen Real Madrid?
Ja! Was in den vergangenen Jahren höchstens als Freundschaftsspiel denkbar war – wie 2008, als Real Madrid eingekauft wurde und in der Vorbereitung im Waldstadion gastierte – wird nun Wirklichkeit: Am 10. August spielt die Eintracht in Helsinki gegen die Königlichen. Anlass ist der europäische Supercup, das alljährliche Aufeinandertreffen des Gewinners der Champions League mit dem Sieger der Europaleague. Es ist das erste Pflichtspiel gegen Real seit 1960, als die Eintracht im Finale des damaligen Europapokals der Landesmeister mit 3:7 verlor. Das Testspiel 2008 endete übrigens 1:1.
Wie wird der Start?
Knackig. Los geht es am Montagabend, 1. August (20.45, live in der ARD) mit dem Auswärtsspiel in der ersten Runde des DFB-Pokals beim FC Magdeburg. Ein unangenehmer Gegner, gegen den sich die Eintracht bereit in der Saison 2016/2017 schwer tat und erst im Elfmeterschießen gewann. Immerhin: Am Ende führte der Weg im Pokal in dieser Spielzeit bis ins Pokalfinale. Ein gutes Omen? Wenige Tage später eröffnet die Eintracht die Bundesligasaison mit einem Heimspiel gegen Serienmeister FC Bayern München (5.8., ebenfalls live im Free-TV). Und dann geht es schon auf nach Helsinki zum Supercup gegen Real. Magdeburg, München, Madrid – der Start mit drei Mal M wird wichtige Fingerzeige geben.
Wie stark ist der Kader?
Auf dem Papier hat Sportvorstand Markus Krösche exzellente Arbeit geleistet. Vor allem auf die Neuzugänge im Sturm mit Randal Kolo Muani (vom FC Nantes) und Lucas Alario (Bayer Leverkusen) dürfen wir uns freuen. Mit Bundesliga-Rückkehrer Mario Götze, Schütze des entscheidenden Treffers bei Deutschlands WM-Sieg 2014 in Brasilien, ist der Eintracht zudem ein echter Coup gelungen. Das zeigt den gewachsenen Stellenwert der SGE in der deutschen Fußball-Landschaft. Klar ist aber auch: Bis zum Ende der Transferperiode am 31. August werden die Fans der SGE mit Gerüchten leben müssen, die vor allem Filip Kostic, Daichi Kamada und Evan N’dicka betreffen dürften. Die Leistungsträger der vergangenen Saison gehören zum Tafelsilber im Kader und könnten hohe Transfererlöse bringen. Wenn alle drei bleiben, ist der Kader bockstark.
Foto: Max Galys / Eintracht Frankfurt
Wie gut ist Mario Götze?
Eine der zentralen Fragen, die – Stand jetzt, wie man in Frankfurt so gerne sagt – niemand seriös beantworten kann. Götze kann kicken, er weiß, wie das Spiel funktioniert, er kann der Mann für die besonderen Momente sein, besonders Teamkollegen wie Jesper Lindström (Foto) oder Europapokalheld Raffael Borré könnten von ihm profitieren. Nach Durststrecken beim FC Bayern (bis 2016) und seiner zweiten Phase bei Borussia Dortmund (2016-2020) hat Götze in Holland beim PSV Eindhoven zu alter Stärke gefunden, wirkt austrainierter, menschlich gereift und war dort Leistungsträger. Skeptiker verweisen hingegen auf das niedrigere Niveau in Holland im Vergleich zur Bundesliga. Unser Gefühl sagt uns, dass der besondere Eintracht-Spirit, der Zusammenhalt sowie die Symbiose aus Mannschaft und Umfeld Götze gut tun könnte.
Kann die Eintracht Champions League?
Die Eintracht hat in der vergangenen Saison gezeigt, dass sie auf europäischem Parkett zu außergewöhnlichen Leistungen fähig ist. Das wird auch in der Champions League gelten. Flutlicht, Choreos, die Wucht der Kurve – das werden spezielle Abende, die niemand so schnell vergisst. Die Eintracht nimmt zum ersten Mal in ihrer Geschichte an der Königsklasse teil. Die Gruppenphase beginnt am 6./7. September, die Tableaus werden am 25. August ausgelost. Krösche hat als Zielsetzung ausgegeben, ins Achtelfinale einzuziehen. Mit der Teilnahme ist das Trauma von Rostock vom 16. Mai 1992 endlich geheilt. Denn damals wurde die SGE durch eine fragwürdige Elfmeterentscheidung nicht nur um die deutsche Meisterschaft gebracht, sondern auch um die Teilnahme an der ersten Champions League Saison 1992/1993. Nicht auszudenken, wie sich der Verein hätte entwickeln können.
Welche Adlerträger fahren zur WM nach Qatar?
Es wird eine außergewöhnliche Saison: Bereits nach dem 15. Spieltag (11.-13. November) beginnt die Winterpause, damit die Fußball-WM in Qatar stattfinden kann. Aus dem Kader der Eintracht ist Kevin Trapp, der aktuell von vielen Experten als bester deutscher Torhüter – noch vor Platzhirsch Manuel Neuer – bezeichnet wird, mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit dabei. Wenn Götze wie erhofft durchstartet, hat er Außenseiterchancen.
Wie verkraftet die Eintracht den Rücktritt von Martin Hinteregger?
Es war ein seltsamer Sommer: Da feiert der Verein den größten sportlichen Erfolg seit mehr als 60 Jahren – und ganz Fußballfrankfurt diskutiert über Hinteregger, sein privat organisiertes Turnier in Österreich und die dabei aufgedeckten Verwicklungen mit einem rechten Politiker. Kurz darauf verkündete der Publikumsliebling, mit dem Fußball aufzuhören und lässt durchblicken, dass er erschöpft ist. Sportlich sollte die Eintracht in der Lage sein, Hintereggers Ausscheiden zu kompensieren. In der Abwehr sind nahezu alle Positionen doppelt besetzt: Tuta hat gezeigt, dass er in der Zentrale den Abwehrchef geben kann. Und Methusalem Makoto Hasebe ist ja auch noch da. Emotional wird „der Hinti“ fehlen.
Welches System lässt Trainer Oliver Glasner spielen?
Die Mannschaft fühlt sich seit Jahren im 3-5-2 am wohlsten. Trainer Oliver Glasner gilt aber eigentlich als Fan der Vierer-Kette. Der Kader zum Stand des Redaktionsschluss bietet vielfältige Optionen und mehr Flexibilität. Wobei Trainer Glasner entspannt ist: „Die Grundordnung wird überbewertet – wichtig sind, wie wir bei Ballbesitz auftreten und wie wir gegen den Ball agieren.“ Klingt kompliziert. Aber der 47-jährige Coach hat in der vergangenen Saison eindrücklich bewiesen, dass er es versteht, den Spielern seine Idee vom Fußball zu vermitteln.
Was sagt die Historie?
Als die Eintracht zuletzt einen europäischen Titel gewann – 1980 den UEFA-Cup – folgte im Jahr darauf der Sieg im DFB-Pokal. Würde sicherlich jeder unterschreiben, der es mit der SGE hält.
Und sonst so?
Der Klub steht auf dem Gaspedal. Allein seit dem Europapokalsieg sind 10.000 neue Mitglieder eingetreten. Der Ausbau des Stadions auf eine Kapazität von 60.000 Zuschauern mit deutlich mehr Stehplätzen ist zur Europameisterschaft 2024 geplant. Und das Thema Nachhaltigkeit nimmt an Fahrt auf. So haben die Vereine im Mai 2022 entschieden, dass ab 2023 Nachhaltigkeit Schritt für Schritt eine wichtigere Rolle bei der Lizenzierung spielen soll.
Wird die Eintracht jetzt gejagt?
Vermutlich. „Gegen den amtierenden Europaleague-Teilnehmer will jeder gewinnen. Die Gegner sind noch motivierter“, sagte Trainer Oliver Glasner während der Vorbereitung. Dieser Eindruck dürfte sich im Laufe der Saison noch verstärken. Die Eintracht muss diese Herausforderung annehmen, vor allem im Alltag in der Liga. Denn der Europa-League-Sieg darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rückrunde der abgelaufenen Saison schwach war. In der Rückrundentabelle belegte die Eintracht gerade mal Platz 15.
Foto: Max Galys / Eintracht Frankfurt