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Italien, Sehnsuchtsort und Ehrengastland der Frankfurter Buchmesse 2024, war der Anlass, einem besonderen Musikstill eine Ausstellung zu widmen. Noch bis April nächsten Jahres präsentiert das MOMEM – Museum of Modern Electronic Music „ITALO DISCO – Never Stop Dancing!“
Interview: Heidi Zehentner
>> Bis 2.4.2025, MOMEM – Museum of Modern Electronic Music, Frankfurt, tägl. außer montags: 13-19 Uhr, momem.org
Diese erste museale Schau im deutschsprachigen Raum widmet sich umfassend dem einflussreichen Beitrag italienischer Künstler:innen und Produzent:innen zur Entwicklung der elektronischen Musik weltweit. Von den Anfängen in den frühen 1980er Jahren als Underground-Bewegung bis zum gegenwärtigen Revival der Italo Disco: Die Ausstellung beleuchtet das Genre in all seinen Facetten.
Italo Disco war von Anfang an mehr als nur ein Musikstil. Sie verkörpert eine Vielfalt an klanglichen Experimenten, ob instrumental oder vokal, begleitet von schrillen Synthesizern, zuckrigen Streichern und oft ungewöhnlichen Drumcomputer-Beats.
Diese Elemente wurden zum Markenzeichen und prägten die europäische Musiklandschaft. Während Songs wie „Self Control“ und „Another Life“ die Charts eroberten, feierten die Club-Versionen dieser Hits auf den Tanzflächen der legendären italienischen Giga-Discos Erfolge. Clubs wie das Piper in Rom oder das Space Electronic in Florenz sind bis heute kulturelle Ikonen, die den kreativen Output der italienischen Musikszene stark beeinflussten.
Eine Zeitreise durch die Geschichte und Gegenwart des Italo Disco
Legendäre Tracks wie „Dirty Talk“ von Klein & M.B.O. oder „Feel the Drive“ von Doctor’s Cat prägten nachweislich die entstehende House-Szene in Chicago. Und selbst heute erleben die Klassiker ein Revival: DJs wie Gerd Janson, Purple Disco Machine und Mochakk bringen den Italo Disco-Sound zurück auf die globalen Dancefloors. Zeitgenössische Labels wie Bordello A Parigi von Otto Kraanen veröffentlichen regelmäßig neue Musik im typischen Italo-Disco-Stil und beleben so das Genre neu.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen ikonische Italo Disco-Tracks aus Vergangenheit und Gegenwart. Sie dienen als Ausgangspunkt für eine vielschichtige Erzählung über die Entwicklung der Clubs, Labels, Stars und Produzent:innen, die das Genre prägten, und stellen bedeutende Protagonist:innen wie Ryan Paris, Sabrina Salerno, RAF und Righeira vor. Auch der deutsche Produzent Philipp Lauer, der heute aus Ostheim bei Hanau arbeitet, wird in der Ausstellung gewürdigt. Er ist ein wichtiger Akteur der modernen Italo Disco-Bewegung und trägt mit seinen Produktionen zur internationalen Renaissance des Genres bei.
Ein besonderer Fokus liegt auf dem hessischen Label ZYX Music aus Merenberg, das seit 1978 maßgeblich zur Verbreitung von Italo Disco in Europa beigetragen hat. Gründer Bernhard Mikulski entdeckte und förderte zahlreiche italienische Talente und prägte sogar den Begriff „Italo Disco“. Bis heute bewahren DJs wie Ata, Gerd Janson und Philipp Lauer, die in Hessen leben und arbeiten, das Erbe des Genres in ihren Sets und Produktionen.
Kuratiert wurde die Ausstellung von Dr. Torben Giese, Matthias Straub und Christian Arndt. Mit Letzterem sprachen wir über das Wie und Warum:
Was bedeutet dir Italo Disco, warum gerade dieses Genre?
Ich habe die Ausstellung zusammen mit den Kollegen Dr. Torben Giese und Matthias Straub kuratiert. Jeder von uns hat seinen eigenen Bezug zu Italo Disco. Am offensichtlichsten war für unsere gemeinsame Entscheidung sicherlich, dass Italien als Gastland in diesem Jahr im Fokus der Buchmesse stand. Italo Disco hat aber auch einen sehr starken regionalen, quasi „hessischen“ Bezug, den wir Bernhard Mikulski und seinem Label ZYX Music in Merenberg zu verdanken haben. Er hatte den Begriff „Italo Disco“ geprägt und durch clevere Lizenz- und Promotionarbeit dieses Potpourri verschiedener Genres nicht nur in Deutschland entscheidend vorangebracht.
Gab es für dich persönlich ein Erlebnis, Ereignis …, das dich diesem Musikstil besonders zugeneigt gemacht hat?
Ja, eigentlich mehrere. Ich habe mich schon als Teenager in den frühen 1980er Jahren in Frankfurter Clubs und Plattenläden herumgetrieben. Dort sind mir damals schon innovative Platten wie „Dirty Talk“ von Klein & M.B.O. und „Feel The Drive“ von Doctor’s Cat begegnet – Letzteres übrigens eine ZYX-Veröffentlichung. Was ich damals noch nicht wissen konnte, war, dass sich diese Produktionen so prägend auf die weitere Entwicklung von House und Techno erweisen sollten. Diese Entwicklung versuchen wir in der Ausstellung aufzuzeigen.
Ein Track, der mich bis heute zutiefst begeistert, ist „Hypnotic Tango“ von My Mine aus dem Jahr 1984. Das Trio aus Bologna hatte seinen ersten und einzigen großen Hit 1984 mit Unterstützung des Produzenten Mauro Malavasi veröffentlicht. Das Stück basiert auf einer unglaublich eingängigen Bassline, die mit der legendären Roland TB-303 eingespielt bzw. programmiert wurde. Dazu die prägnanten Vocals von Stefano Micheli, die die Nummer so zeitlos wie unverwechselbar machen. Es ist wirklich kaum zu glauben, dass das Stück 40 Jahre alt ist. Es wurde zigfach gesampelt und remixed, aber das Original bleibt unübertroffen.
Das MOMEM ist umgestaltet, für die Ausstellung hängen Wannen von der Decke. Was möchtet ihr damit ausdrücken?
Naja, „Wannen“ klingt ein bisschen profan. Nennen wir es lieber „Pools“ ;-). Diese kann man einerseits als leicht ironische Referenz an die poppig-kitschige Seite von Italo Disco interpretieren, denn bei Italo Acts wie Ryan Paris und Sabrina Salerno („Boys“) spielt das Strand- und Poolparty-Feeling ja eine zentrale Rolle. Andererseits bieten diese hängenden Pools den Besucher:innen die Möglichkeit, in die Welt der jeweiligen Künstler:innen und Acts regelrecht „einzutauchen“.
Wo kann man aktuell Italo Disco bzw. seine Weiterentwicklung heute hören?
Seit den frühen Zehnerjahren ist Italo Disco wieder im Aufwind – und für manche hat die Liebe zu diesem musikalischen Cocktail aus Pop, Kitsch und ambitioniert groovender elektronischer Musik nie aufgehört. Hierzulande lassen sich namhafte DJs wie LAUER, aber auch Running Back-Boss Gerd Janson von Italo Disco inspirieren, auch die gebürtige Sächsin Annegret Fiedler aka Perel zelebriert Italo-Vibes in ihren Produktionen. In Berlin hält DJ und Labelmacher Alexander Arpeggio die Italo-Disco-Fahne hoch, während der deutsch-italienische DJ Mathias Modica mit seinem Label Toy Tonics seit vielen Jahren von München aus seine „Gelato Power“ unter die Party People bringt. Im benachbarten Ausland ist besonders das Label Bordello A Parigi aus Amsterdam erwähnenswert und die dänische Radiostation SNR hat eine regelmäßige Italo-Disco-Sendung. Kurz gesagt: Italo Disco ist zurück, war aber eigentlich nie wirklich weg …
Last, but not least werden wir auch im MOMEM mit einem kleinen, aber feinen Rahmenprogramm unseren Teil beitragen. Die erste Italo After Work Session planen wir für den 21. November ab 18 Uhr.