Von links: Linus König, Ole Bechthold und Felix Bieske
Zwei Jahrzehnte zählen die Frankfurter Landungsbrücken nun schon und bescherten und bescheren Bühnenfans unaufhörlich einen Theatergenuss ganz besonderer Art. Unangepasst, experimentell und irgendwie auch verträumt kommen die Stücke daher, die in der Farbenfabrik im Gutleutviertel gezeigt werden. Dafür braucht es einen klugen, visionären und mutigen Kopf, für den Scheitern eine Herausforderung ist: Linus König.
Interview: Heidi Zehntner
>> Landungsbrücken (neben Tanzhaus West), Frankfurt, (069) 256 277 44, landungsbruecken.org
PTSD 20
Zum Geburtstag will Landungsbrücken keine Vergangenheit feiern. „Erinnerungssplitter zum Reintreten“ ist denn auch der „Parforceritt durch die letzten 20 Jahre der eigenen und fremden Erinnerung und dem Raum dazwischen“ überschrieben. In einer Performanceanordnung wird untersucht, wie Sprache, Erinnerung und Vergessen sich entwickeln, um Erlebnisse zu erhalten oder auszuradieren. Geblickt wird vor allem darauf, wie Menschen damit umgehen und welche Geschichten sie sich erzählen. Zu erleben ist PTSD am 8. (Premiere) und 9. November um 20 Uhr. Solidarisches Preissystem: Jeder zahlt. Was er kann zwischen 5 und 20 Euro.
20 Jahre Landungsbrücken, eine lange Zeit. Da gab es doch sicherlich viel zu erleben und viel zu erzählen. Welche Ereignisse waren für dich die prägendsten, lustigsten, schlimmsten …?
Prägend, lustig, schlimm sind vor allem die Menschen, die einen Ort wie Landungsbrücken Frankfurt zu dem machen, was er ist. Mit allem, was das Leben so lebenswert und aus macht. Neugier, Leidenschaft, Freundschaft, Liebe, Tod. Ein Shitstorm-Schutzbunker gegen eine Welt, die nicht in Ordnung ist, nicht früh um 7 und auch nicht nach der Tagesschau.
Wie kamst du zum Theatermachen? Wie hat alles angefangen?
Der eigentliche Techniker bei der Dramatischen Bühne hatte 1995 irgendeinen Termin verpennt und ich musste einspringen. „Der kann das“, sagte mein Bruder. Hab’ ihm dann mitten in einem Monolog das Licht ausgemacht. Aus Versehen.
Der Kultur werden massiv Gelder gekürzt. Das betrifft auch die Landungsbrücken. Wie schlimm ist es?
Das Schlimmste ist, dass wir eigentlich (noch) gar nicht mit Kürzungen wie auf Bundesebene konfrontiert sind. Sondern mit massiv gestiegenen Kosten. Die de facto einer Kürzung gleichkommen, sich aber sehr viel schwerer vermitteln lassen. „Wieso, ihr kriegt doch das gleiche?!“ Ja, tolle Wurst, wir arbeiten hier mit zweieinhalb Leuten das weg, was vorher fünf gemacht haben und damit schon am Rande der Selbstausbeutungsbelastungsgrenze waren.
Wie sieht eigentlich der Alltag vom Chef der Landungsbrücken aus? Es gibt doch sicherlich abseits der Bühne jede Menge zu tun.
Das, was öffentlich wahrgenommen wird, also das, was auf der Bühne stattfindet, ist eigentlich der entspannteste Teil. Denn dann ist unsere Arbeit (ich bin ja nicht alleine hier, ohne Felix Bieske und Ole Bechtold gibt es Landungsbrücken nicht) hoffentlich längst getan. Es gibt so Tage, da hat man stundenlang irgendwas gemacht, man weiß aber hinterher nicht, was eigentlich genau. Von der Spielplanplanung über die Finanzakquise über die Abwicklung bis zur Nachbearbeitung mit Abrechnung ist das komplette Paket am Start. Es passiert, dass man in einem Moment dem OB beim Neujahrsempfang die Hand schüttelt und im nächsten verstopfte Toiletten reinigt. Das sorgt für die nötige Demut.
Du bist auch in der Theaterallianz tätig. Wie wirkt diese und wie kann diese anderen (und auch deinem) Theatern helfen?
Sie wirkt vor allem in der, wie man das so schön nennt, Pflege der politischen Landschaft. Schlicht und einfach notwendige Netzwerk- und Lobbyarbeit. Das ist sehr viel Kommunikation, auch nach innen, sehr viel Aufklärungsarbeit, sehr viel Lernen, sehr viel Vermitteln. Das ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, vor allem wenn sich Resultate nicht sofort messbar einstellen oder Fantasie auf Betonwände trifft. Aber gerade deshalb absolut unabdingbar mit dem Blick auf eine nachhaltige Entwicklung der Interessen von Theatermacher:innen und den Institutionen mit, in und für die sie arbeiten. Und ihrem Publikum. Und einer Kulturlandschaft. Und allem, was dazugehört.
Gibt es etwas, was in der Theaterlandschaft in Frankfurt oder bezüglich des kulturellen Angebots fehlt?
Das haben wir mit Sicherheit in Frankfurt nicht exklusiv, aber am Bewusstsein, dass die eigene Nasenspitze nicht immer das Ende des Horizontes ist, kann und muss man immer wieder und weiter arbeiten.