Anthony Braxton (Mitte, links neben ihm Nadine Deventer) verabschiedet sich mit seiner „ZIM Music“ vom JazzFest Berlin.
In diesem Jahr beginnt das JazzFest wieder mit einem spektakulären Event, so ganz nach dem Geschmack der künstlerischen Leiterin Nadine Deventer. Im Gropius Bau wird „Sonic Genome“ von Anthony Braxton aufgeführt, eine 6-stündige Synthese aus knapp 500 seiner Kompositionen; insgesamt sind etwa 60 Musiker beteiligt. „So faszinierend das Projekt ist“, befindet der Kritiker Werner van Treeck, „so zufällig und willkürlich erscheinen die ausgewählten und erwanderten Klangerlebnisse.“ Am Ende des Festivals begibt sich Anthony Braxton noch einmal in seine rätselhaft-beliebigen Klangwelten und erreicht das Publikum so wenig wie das KIM Collective mit seiner „Fungus Opera“. Auch die anderen „Deutschlandpremieren“ überzeugen nicht, etwa Eve Rissers schlichte Spielereien auf einem präparierten Klavier inkl. Rhythmusmaschine. Sie war zuletzt 2016 beim JazzFest, ein Jahr später schon einmal der Trompeter Ambrose Akinmusire, dessen Projekt „Origami Harvest“ man schnell vergessen wird. Warum wurde statt dessen nicht an die quicklebendige New-Jazz-Szene in der DDR erinnert, 30 Jahre nach dem Mauerfall. Zumindest der Schlagzeuger Christian Lillinger überzeugt mit seinem bereits in Donaueschingen aufgeführten Projekt „Open Form For Society“, und den herzlichsten Applaus heimst „Melodic Ornette“ von Joachim Kühn mit der hr-Bigband ein. Wegen Sanierungsarbeiten am Haus der Berliner Festspiele könnte dem JazzFest im nächsten Jahr ein Umzug in das ehemalige Weddinger Krematorium „Silent Green“ drohen. Eine gute Gelegenheit, sich von allzu vielen Performances, Premieren und Projekten zu verabschieden! Erk Walter