Diese Produktion ist eine Utopie in dystopischen Zeiten. Mit dem Album „Istanbul“ von Shantel & Cümbüş Cemaat öffnet sich ein utopischer Raum zwischen Frankfurt am Meer und Istanbul am Bosporus. In diesem wurde mit Respekt und Hingabe ein neuer Dialog der Popkulturen versucht.
Anfang der Nuller-Jahre brach Shantel mit seiner Geschichte als führender europäischer Electronica-, Trip Hop- und Downbeat-Produzent und erfand sich neu. Eine Reise in die Heimat seiner Vorfahren, gepaart mit seiner alten Liebe zu griechischer und arabesker Musik, ließen ihn neue Soundterritorien ausloten. Der Bucovina Club mit seiner euphorischen Stimmung war geboren. Die Produktionen von „Bucovina Club“, eine wilde Mischung verschiedenster südosteuropäischer Sounds und Beats, brachte das Gefühl der durchgetanzten Clubnächte in die heimische Stereoanlage. In „Bucovina Club 2“, manifestierte sich der logische nächste Schritt des Musikers: Er ging mit Künstlern ins Studio, um eigenes Material aufzunehmen, remixte und erfand neue Songs für die populärsten Kapellen. Auch in der Türkei, genauer in Istanbul, feierte Shantel mit seiner Musik große Erfolge, an die der Frankfurter Künstler nun anknüpft.
Istanbul war für Shantel schon immer mehr als nur ein Ort, an dem man erfolgreich auftreten kann, er mochte es, in die lokale Kultur einzutauchen und er überlegte schon seit einiger Zeit, wie er seine Hommage an die lokale Musikkultur gestalten könnte. Im Herzen des berüchtigten TomTom-Viertels befindet sich der Club Anahit Sahne, derzeit der wichtigste Underground Club Istanbuls und gleich daneben die Ziba Bar, der Hangout von Cümbüş Cemaat. Hier treffen anatolische psychedelische Skalen auf Discobeats; Arabesk und Rembetiko verschmelzen zu einer Einheit. Man machte sich gemeinsam an die Arbeit, Cümbüş Cemaats kreative Anarchie und Shantels Ideen wie seine Fähigkeiten als Produzent zu fusionieren. Shantel lud die Band nach Frankfurt ein, um ein Album aufzunehmen. Bei der Repertoire-Auswahl knüpfte man sich ausgewählte türkische Songs vor, die Shantel und Cümbüs Cemaat schon immer am Herzen gelegen haben. Die wichtigste Aufgabe war, eine gemeinsame Sprache zu finden, aus jedem Song die Essenz herauszudestillieren und für jedes Stück ein Bild entstehen zu lassen. Abgemischt wurde das Album auf einem alten analogen Mischpult, dessen Klang weltberühmt ist, denn Snap nahmen damit u.a. ihren Chart-Hit „I’ve Got the Power“ auf.
“Istanbul” Ein geerdeter musikalischer Hybrid, der sich so tatsächlich nur in der Diaspora entwickeln konnte, denn in der Türkei herrscht derzeit ästhetischer Stillstand, eine Identitätskrise der jungen Generation, die keine echte Perspektive mehr sieht. Der Braindrain hat die lokale Szene noch weiter geschwächt, denn viele Künstler*innen haben nur noch die Aussicht, sich außerhalb des Landes darzustellen. Vielleicht kann dieses Album ja in beide Richtungen wirken. In unsere: „Seht her, hier gibt es faszinierende Klänge zu entdecken, hier wird noch ein Sound gelebt, eine Utopie, die Hoffnung macht.“Und in die andere Richtung: „Macht weiter, überrascht uns und danke dafür.“ Es muss Liebe sein!
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