
Wir reden und diskutieren, mal in voller Übereinkunft, mal kontrovers. Täglich erreichen uns neue Infos über Corona-Fallzahlen, über Infektionswege, über Maßnahmen zur Sprengung letzterer. Dass wir in diesen, geradezu surreal erscheinenden Zeiten der Pandemie verunsichert sind, mehr als verständlich. Und doch geht jede und jeder mit der Situation anders um.
Mirko, 51 Jahre, Arzt
Mein Tagesablauf als Arzt ist deutlich zeitintensiver und anstrengender geworden. Auch das durchgehende Tragen von FFP2-Masken lässt den Träger nach zehn Stunden und mehr erschöpft zurück. Die festgelegten Pausen kann das Krankenhauspersonal oft nicht einhalten. Es gibt so viel zu tun. Seit Corona ist sehr vieles schwieriger geworden. In leitender Funktion muss ich mich nahezu täglich auf neue Gegebenheiten einstellen. Jede und jeder, der bei uns eingeliefert wird, muss sich einem Test unterziehen, ist dieser positiv, kommt er oder sie in ein Isolierzimmer, allein. Auch wenn ein Patient Fieber bekommt, stark hustet oder starke Bauchschmerzen bekommt, wird dieser vorsichtshalber erst mal isoliert, bis das Ergebnis da ist. Die Betteneinteilung gehört derzeit zu den Tätigkeiten, die viel Zeit und, ja, auch Nerven kosten. Aber unsere Patientien*innen in der Geriatrie (Altersheilkunde) gehören zur Risikogruppe, sodass die angesetzten Maßnahmen unbedingt und strikt eingehalten werden müssen. AHA ist Pflicht, übrigens auch für die Kranken, die auch im Bett eine Maske aufsetzen müssen, sobald sich jemand von Krankenhauspersonal nähert. Und doch erkranken viele Kollegen. Meine Freizeit? Corona bestimmt auch mein Privatleben sehr. Arbeit, schnell noch einkaufen, essen … Dann ist der Tag schon rum. Ab und an gehe ich mit eine*r Freund*in spazieren. Wenn ich im Job ausfalle, dann muss wohl die ganze Station geschlossen werden, daher meide ich es so gut es geht, Menschen zu treffen. Unschön, aber es geht nicht anders. Es ärgert mich, dass wegen der Unvernunft mancher Restaurants, Kinos, Theater, von Clubs und Konzerten spreche ich erst gar nicht, geschlossen werden mussten. Hielte sich jede*r an die Regelungen, dann wären so manche Maßnahmen in ihrer Konsequenz vielleicht nicht nötig gewesen und die Kollateralschäden nicht so hoch. Nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die psychischen Begleiterscheinungen seit Beginn der Pandemie sind auffällig. Kollegen aus der Psychiatrie melden einen Zuwachs an Angststörungen und Psychosen. Doch es ist oft schon die Einsamkeit, die viele Menschen sehr zu schaffen macht. Auch und gerade bei uns im Krankenhaus, wenn ein Patient nur einmal in der Woche von einem und immer dem gleichen Familienangehörigen besucht werden darf. Besonders für Demenzkranke ist der Kontakt zu ihm oder ihr bekannten Menschen ungleich wichtig. Ich hoffe auf den Impfstoff und auf eine Zeit, in der im Beruf wieder Routine einkehrt – und ich wieder Freund*innen fest in den Arm nehmen kann.