Kitas und Schulen schlossen von heute auf morgen. Studieren nur noch online. Letzteres klappte gut, als im März der Lockdown ausgerufen wurde. In den Schulen allerdings war eine lange vernachlässigte Problemstellung zu spüren, die mangelnde Digitalisierung. Nun haben die Schulen wieder geöffnet. FRIZZ Das Magazin sprach mit der Vorsitzenden des Stadtelternbeirats, Julia Frank, um die derzeitige Situation in den Schulen zu beleuchten.
Julia Frank
Geboren 1975 in Frankfurt und Mutter zweier Söhne.
Nach Abbruch eines VWL-Studiums an der Goethe-Uni arbeitet sie seit Ende der 1990er als Konzertveranstalterin/Bookerin. Seit 2018 ist Julia Frank im Stadtelternbeirat tätig und seit Februar 2020 Vorsitzende des Frankfurter Stadtelternbeirats.
Anfang des Jahres wurde Julia Frank Vorsitzende und Andrea Herschbach stellvertretende Vorsitzende des Frankfurter Stadtelternbeirates (SEB) an. Doch Zeit, sich in Ruhe einzuarbeiten, blieb den beiden Müttern kaum. Denn kurze Zeit später schwappte die Corona-Pandemie nach Europa und zwang Tausende Frankfurter Schüler*innen in den Heimunterricht. Plötzlich waren die frisch gewählten SEB-Vorsitzenden mit ganz anderen Problemen und Herausforderungen konfrontiert, als jenen, denen sie sich eigentlich widmen wollten.
Die Situation der Eltern war in den letzten Monaten aufgrund des Lockdowns eine sehr schwierige. Wie haben Sie diese erlebt?
Die Lockdown-Monate waren für die Eltern eine sehr aufreibende Zeit und viele sind an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geraten. Es lief vollkommen unkoordiniert, die Schulleitungen und Lehrer*innen sind nicht oder nur sehr spät mit Informationen versorgt worden und konnten so natürlich auch den Schüler*innen und uns Eltern keine ausreichenden und für alle Schülergruppen angemessenen Lösungen bieten. Ich selbst war mit meinen Kindern sieben Wochen zu Hause isoliert und habe morgens oft schon um 6 Uhr angefangen zu arbeiten, da ich meine Arbeit für mehrere Stunden unterbrechen musste, sobald wir mit dem „Homeschooling“ angefangen haben.
Bildung versus Gesundheit. War die Schließung der Schulen und Kitas aus Ihrer Sicht wirklich notwendig? Welche Alternativen wären vorstellbar gewesen?
Aus heutiger Sicht kann man sicherlich Alternativen aufzählen, wie Kohortenbildung und Maskenpflicht in festgelegten Bereichen, aber man darf nicht vergessen, dass zum Zeitpunkt des Lockdowns noch nicht genügend Belastbares über den Virus und die Verbreitung bekannt war. Besonders kritisch aus heutiger Sicht ist zu sehen, dass ganze Schülergruppen teilweise nicht mehr angebunden worden, wie z.B. Kinder, die keine Endgeräte oder Internet zu Hause haben oder die Kinder mit Förderbedarf. Hier hat die Bildungsgerechtigkeit stark gelitten und hier muss dringend gehandelt werden. Gerade die Kinder mit Förderbedarf müssen wir jetzt im Auge haben, denn hier ist jeder Fall verschieden und es muss unbedingt individuell auf die Schüler*nnen und ihre Situation eingegangen werden.
Ein großer Kritikpunkt an Lehrer*innen und Schulen war die mangelnde digitale Zusammenarbeit mit den Schüler*innen. Was könnte der Grund hierfür sein?
Ich halte die pauschale Kritik an den Lehrer*innen hier grundsätzlich für unangebracht. Es gibt gewiss „schwarze Schafe“, die untergetaucht sind und die Schüler*innen weitestgehend im Stich gelassen haben, aber der Großteil der Lehrer*innen hat alles in ihrem Bereich mögliche getan, um den Unterricht am Laufen zu halten. Es gibt auch viele Beispiele von Lehrkräften, die Tag und Nacht gearbeitet haben, um ganze Schulen von heute auf morgen digital anzubinden und alle Schüler*innen in Schulportal, Moodle, Teams etc. einzupflegen. Die Kritik hierbei muss daher in Richtung Landes- und Stadtpolitik gehen. Weder technische Ausrüstung noch pädagogische Konzepte standen – und stehen – den Schulen zur Verfügung. Die Pandemie zeigt somit ganz klar die Versäumnisse der letzten Jahre auf.
Stichpunkt Digitalisierung: Was muss passieren, um nicht nur bei ähnlichen Szenarien, wie sie uns das Coronavirus aufgezwungen hat, Bildung auch zuhause zu gewährleisten?
Die Digitalisierung hat Deutschland um viele Jahre verschlafen und die Stadt Frankfurt ist bis heute nicht aufgewacht. Wir diskutieren seit Monaten mit dem Bildungsdezernat über das Umsetzen der WLAN-Anschlüsse für alle Schulen und hören immer weitere Ausreden, warum dies nicht innerhalb der nächsten zwölf Monate erfolgen kann. In anderen Städten/Bundesländern wird das „outgesourced“ und die Stadt Frankfurt versucht dies, mit ein paar Leuten im Amt umzusetzen. Warum können wir nicht in einem Schritt komplett alle Schulen ausschreiben und das professionell von außen inklusive Wartungsvertrag umsetzen lassen? Wenn die Stadt das selbst macht, freue ich mich schon auf die Wartungsverzögerung, wenn mal etwas nicht funktioniert.
Ähnliches gilt für die digitale Ausstattung. Andere Kreise und Städte in Hessen haben neben Desktops und Laptops auch Tablets für den Unterricht angeschafft. Dies wird den Frankfurter Schulen verweigert. Gerade die Lehrer*innen aus dem naturwissenschaftlichen Bereich bevorzugen aber diese Geräte, da man viel flexibler im Unterricht arbeiten kann.
Nun sind die Schulen wieder geöffnet. Welche Maßnahmen zum Schutz von Lernenden und Lehrenden wurden unternommen und reichen diese aus Ihrer Sicht aus?
Die Schulen haben sich bestmöglich durch Hygienekonzepte vorbereitet, aber es obliegt der oder dem Einzelnen, inwiefern diese Konzepte eingehalten werden können. Auch hier zeigt die Pandemie die Versäumnisse der letzten Jahre auf. Der Sanierungsstau macht manches gut durchdachte Konzept zunichte. Nachbessern muss man hier auf jeden Fall an einigen Schulen. Fenster, die sich nicht öffnen lassen, verhindern die vorgeschriebenen Stoßlüftungen. Allerdings lässt sich auch hier kurzfristig nur schwer Einfluss nehmen und gerade die zweiwöchige Maskenpflicht war als Thema bei einigen Eltern sehr emotional besetzt.
Was würden Sie sich als Fürsprecherin der Frankfurter Eltern, aber auch als Mutter von der Stadtregierung wünschen, um die Situation in den Schulen einfacher und sicherer zu machen?
WLAN-Umsetzung hier, jetzt und heute und nicht erst 2024. Das Thema muss bis Ende 2021 abgeschlossen sein. Bereitstellung von pädagogischen Konzepten – abgestimmt auf die Bedürfnisse der einzelnen Schulen. Professionelle Unterstützung der Schulgemeinden von außen. Lehrer*Innen sollen in erster Linie ihre Zeit und Energie für qualitativ hochwertigen Unterricht, sowohl Präsenz- als auch Fernunterricht – verwenden und nicht als „IT-Hilfskräfte“ missbraucht werden. Schulleitungen, Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern frühzeitig mit verlässlichen und fundierten Informationen versorgen. Das lief nach den Ferien von Seiten der Stadt schon viel besser, da muss das Land allerdings noch etwas nacharbeiten.
Anouk (10): „Corona ist eine fiese Krankheit, wo Viren im Spiel sind. Homeschooling war so mittel, weil ich nicht richtig wusste, was ich machen soll, aber gut war, dass ich nicht sechs Stunden arbeiten musste. Das war natürlich cool.“
Tristan (11): „Ich freue mich, wieder in der Schule zu sein und meine Freunde zu treffen. Mir macht auch digitaler Unterricht Spaß, aber davon hatten wir nur eine Stunde in der Woche vor den Ferien. Maske tragen finde ich nicht so schlimm.“
Patrick (10): „Ich fand es zu Hause cool, weil ich länger ausschlafen und die Aufgaben in Ruhe machen konnte, aber ich konnte meine Freunde nicht treffen.“
Vinzenz, 15 Jahre: „Homeschooling war schlecht organisiert und sehr unmotiviert.“
Arthur, 13 Jahre: „Lehrer*innen erlebe ich mit Maske fast nur, wenn sie/er durch den Raum geht.“