© Rolf Hiller
Ein Engel hatte das Handy unter der Plastiktüte deponiert.
Mein Handy ist weg. Sagt die erste Leserin dieser Zeilen vollkommen ruhig. Wir haben gerade im Urbanhafen zu einer dreistündigen Brückenfahrt über den Landwehrkanal und die Spree abgelegt. Ohne Smartphone geht heutzutage fast gar nichts mehr. Das Ding muss in der Konsole am Fahrrad stecken und hatte uns eben noch zuverlässig zum Ziel navigiert. Bestimmt ist es nach drei Stunden nicht mehr da. Das Wetter ist herrlich, viele Menschen werden in dieser Zeit am Rad vorbeikommen - und natürlich das gut sichtbare iPhone bemerken. Die Besitzerin bleibt erstaunlich gelassen und will die Fahrt mit Freunden & Freuden genießen. Als wir wieder im Urbanhafen ankommen, renne ich sofort zum Fahrrad und sehe mit einem Blick: das Handy ist weg, ein Haufen Geld einfach so. Wir legen unsere Airbags an, wollen nach Hause fahren und das Teil über die Ortungsfunktion des iPads suchen. Wie in Einbeck damals. Dann trauen wir unseren Augen nicht! Ein grundguter Mensch hat das Handy unter dem Sattelschutz verstaut und sogar noch mit dem Clip-Verschluss gesichert. Wir können unser Glück, das Wunder von Berlin nicht fassen!
Von weiteren Wundern ist nun keine Rede mehr, im Gegenteil. Früher brauchte man in einer Großstadt wie Berlin mit einem klug & langfristig konzipierten ÖPNV keinen Fahrplan – es kam immer rasch die nächste Bahn. Das hat sich inzwischen dramatisch geändert. Den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) fehlt es an Personal und an Wagen. Teilweise über 60 Jahre alte U-Bahnen zuckeln unter der Stadt – und fallen häufig aus. Deswegen wollte die BVG geringfügig die Taktzeiten verlängern, aber das klappt hinten und vorne nicht. Jede Fahrt ein Abenteuer. Würde wenigstens die App stimmen, doch die Realität spricht deren Infos Hohn. Wie bei der Deutschen Bahn kommen der BVG die mangelnden Investitionen in die Infrastruktur teuer zu stehen. Bahnchef Lutz gelobte eben einmal wieder in der FAZ, man wolle die Pünktlichkeit bis 2027 auf 75 bis 80 Prozent steigern. “Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube”, könnte er schon in Goethes “Faust” lesen.
Geschieht am Sonntag vielleicht ein Wunder in Potsdam? Da wird in Brandenburg (Einwohnerzahl: knapp 2.6 Millionen) gewählt. Wieder einmal geht es in der Öffentlichkeit ums Große & Ganze, nicht um die Situation in diesem Bundesland. Jede Landtagswahl wird in aufgeheizten Zeiten wie diesen erst recht zur Testwahl für die Bundesregierung. Dem ließe sich nur entgehen, wenn die Bundestagswahl und alle Landtagswahlen am gleichen Tag stattfinden. Der Ministerpräsident Dietmar Woidke hat sein politisches Schicksal mit dem Ausgang der Wahl verknüpft. Sollte seine SPD nicht die stärkste Fraktion im Potsdamer Landtag werden, tritt er zurück. Woidke setzt alles auf eine Karte und hat sich die Unterstützung des Bundeskanzlers, der übrigens in Potsdam wohnt, ausdrücklich verbeten. Den letzten Umfragen zu Folge liegen SPD und AfD fast gleichauf. Es wird ein extrem spannender Wahlabend. Sollte Woidke nur zweiter Sieger werden, dürfte die Bundesrepublik Deutschland ein blaues Wunder erleben.
Erk Walter
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