1 von 2
© Farideh Diehl
Anne Hashagen
2 von 2
Mit ihrem aktuellen Buch „Fucking Famous“ konnte sich die Frankfurter Autorin Anne Hashagen einen festen Platz in der hiesigen Literaturszene erschreiben. Ihre Lesung im Massif Central anlässlich der Buchmesse Frankfurt 2024 geriet zu der Buchmessenparty überhaupt. Und nun soll Fucking Famous verfilmt werden. Ein weiterer wichtiger Schritt. Wir sprachen mit Anne Hashagen.
Interview: Heidi Zehentner
Sind eine Million Follower:innen es wert, mit dem Teufel ins Bett zu steigen?
Lotte Hohenfeld, 39 Jahre, studiert, ambitioniert, attraktiv, hat die Nase voll. Nach gescheitertem Start-up ist auch ihr erstes Buch gefloppt. Höchste Zeit, dem Leben noch etwas Großartiges abzutrotzen. Aber wie? Freundin Tessa, eine IT-Beraterin, weiß die Lösung: berühmt werden! Gemeinsam rufen sie das Projekt „Lotte“ ins Leben. Mit Witz und Verstand, Lug und Trug, Deep Fake und einem falschen Adelstitel wird Lotte zur Celebrity, die tief in die Welt der Influencer:innen und B-Prominenz eintaucht. Doch alles hat seinen Preis. Aber wie sagte Anna Delvey: „Prison is the new sex tape“ … „Schonungslos, bitterböse und richtig spannend“, beschreibt Moses Pelham das Buch. Und Schauspielerin Tina Ruland spricht von „einem scharfsinnigen Blick in die Influencer:innenwelt – ehrlich und provokant.“ Anne Hashagen provoziert und das mit einem herrlich bösen und dabei nicht weniger feinsinnigem Humor.
Anne Hashagen erblickte in Wuppertal das Licht der Welt. Nach ihrem Studium und Abschluss als promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin ging sie (wohin auch sonst) nach Frankfurt und arbeitet in der Finanzmetropole als Bankerin. Ob ihre Bücherliebe in ihrer Kindheit, vor allem die Bücher von Astrid Lindgren, Enid Blyton und ganz besonders Michael Ende, ausschlaggebend waren für ihre Leidenschaft für das Schreiben?
In „Fucking Famous“ erklären Sie uns, wie man „influenzt“ und somit Millionen Follower bekommt. Oder meinen Sie es etwa gar nicht ernst mit uns und einem möglichen Erfolg in den Sozialen?
Das Buch ist eine Roman-Satire, die Protagonistin Lotte schafft es mit viel Geschick und etwas Lug und Trug zu einer Million Follower:innen auf Instagram. 50 % der jungen Menschen geben heute als Berufswunsch Content Creator an, insofern fand ich das Thema sehr aktuell. Ich versuche in „Fucking Famous“ die psychologischen und medialen Mechanismen zu erklären, die zu Berühmtheit auf den sozialen Medien führen. Das Buch ist voll von bösem Humor, allerdings kommen die Schattenseiten nicht zu kurz und ob ein Leben als Influencer wirklich erstrebenswert ist, bleibt zumindest fragwürdig.
Spaß beiseite, wie viele Stunden verbringen Sie tagtäglich auf Insta, FB und Co.? Und macht es süchtig?
Ich selbst nutze die sozialen Medien hauptsächlich, um für meine Bücher Aufmerksamkeit zu schaffen. Um für den Roman zu recherchieren, bin ich ein Jahr allen möglichen Celebrities gefolgt und muss feststellen: Das macht was mit einem. Speziell der Tiktok-Algorithmus macht auf geschickte und unangenehme Weise süchtig. Für Influencer:innen ist heute der Algorithmus der zentrale Gatekeeper. Zwar ist „Berühmtsein“ durch die sozialen Medien demokratisiert, doch Sichtbarkeit erfordert viel Arbeit. Der Algorithmus befördert Empörung, Erregung, Banalität und Penetranz, insgesamt keine sehr erfreuliche Entwicklung.
Der Titel lässt auf eine Hassliebe zu den sozialen Medien schließen …
Die Ambivalenz der Protagonistin Lotte teile ich. Jeder freut sich über Aufmerksamkeit, Likes und Follower bringen Dopamin-Kicks, aber letztlich empfinde ich Posten oft schlicht als Angeberei. Sinn und Zweck der sozialen Medien ist heute primär nur noch, dass Leute sich zu Personenmarken machen und Produkte verkaufen. Der „soziale“ Aspekt ist in den Hintergrund getreten. Inszeniere dich digital, tönt es heute überall. Das erzeugt Druck und gerade für junge Menschen eine Kultur des sich ständigen neidvollen Vergleichens mit denen, die es schon „geschafft“ haben.
Wie passt der Beruf einer Bankerin zu einer Influencerin? Treffen da nicht Extreme aufeinander, die schwerlich zu verknüpfen sind? Und wie finden Ihre Bankkolleg:innen ihr Medienengagement und den Erfolg damit?
Ich betreibe Schreiben nur als Hobby und es ist ein schöner Ausgleich zum Bankerjob. Beim Schreiben, sofern man nicht Deadlines einhalten und davon leben muss, kann man sich die Zeit frei einteilen, das ist angenehm. Ich beneide niemanden, der versucht vom Schreiben zu leben, auch wenn es natürlich seltene, erfolgreiche Ausnahmen gibt. Bücher verkaufen sich im Übrigen durch Prominenz, Talkshow-Auftritte etc., allgemein gibt es keineswegs eine Korrelation zwischen Qualität und Erfolg.
„Fucking Famous“ ist ja nicht ihr erstes Buch, Sie haben zuvor weitere „Ratgeber“ für allerlei Lebenslagen verfasst. Warum gerade dieses Genre?
„Fucking Famous“ ist mein sechstes Buch. Ich habe 2011 einen Beziehungsratgeber für junge Frauen geschrieben („Ja!“), danach eine Fantasy-Reihe, dann „Die Wette“, einen Mystery-Roman, der hoffentlich bald verfilmt wird, und ein philosophisches Sachbuch über den Sinn des Lebens zusammen mit dem Philosophieprofessor Riccardo Manzotti. Sehr unterschiedliche Themen, aber sie haben mich zum Zeitpunkt des Schreibens alle sehr interessiert.
Und nun soll „Fucking Famous“ verfilmt werden. Wird Ihre satirische Auseinandersetzung mit den Sozialen Netzwerken, dem Fame dadurch, nun für Sie wahr? Ohne mit dem Teufel ins Bett zu steigen …
Die Verfilmung freut mich sehr. Ich bin gespannt, welche Schauspielerin die Hauptrolle spielen wird. Caroline Herfurth oder Hannah Herzsprung wären toll. „Fame“ ist ein sehr relatives Konzept. Mit Influencer:innen-Tätigkeiten zu Fame zu kommen wie Lotte im Roman, finde ich wenig erstrebenswert. Ich würde lieber einen Oscar fürs beste Drehbuch gewinnen. Diese Sorte „Fame“ fände ich super.
Und noch fünf kurze Fragen für kurze Antworten:
Was lieben sie an Frankfurt, was nicht?
Weltstädtisch und doch gemütlich. Das Bahnhofsviertel muss sich dringend verbessern.
Welcher Stadtteil ist der Ihre und welches Ihr Lieblingsplätzchen.
Westend und der Grüneburgpark
Welches Buch lesen Sie gerade?
Aktuell nur Drehbücher
Und welcher Film ist gerade Ihr persönliches Highlight?
Ich liebe alles von Jordan Peele, vor allem „Get out“ und „Nope“
Wer oder was ist Ihr Vorbild?
Eine Mischung aus Madonna und Kafka