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40 Jahre, eine lange Zeit. Eine Zeit, in der Andreas Tomalla die elektronische Musik in Frankfurt und weltweit geprägt hat. Im Dezember wird das Jubiläum gefeiert, laut, technolastig und mit gleich zwei Events: Part one im MTW und Part two im Europalace.
>> 7.12., MTW, Offenbach, 26.12., Europalace, Mainz-Kastel, Infos & Tickets: eventim.de
Interview: Heidi Zehentner
Vorab einige Fakten: Andreas Tomalla, so der bürgerliche Name von Talla 2XLC, hat am 13. März 1963 das Licht der Welt erblickt. Er lebt mit seiner Frau Wafa und den beiden Kindern in Frankfurt. Genannt aber wird er Talla. Sein Künstlername Talla 2XLC leitet sich als Kürzel von seinem Nachnamen und von dem Kürzel eines uralten Kassetten-Mixtapes ab. Er musste sich diesen Zusatz geben, da es bereits einen französischen Künstler mit dem Namen Talla gab. Nach seiner Ausbildung zum Industrie-Kaufmann arbeitete Tomalla ab 1983 im Plattenladen „City-Music“ unter dem Frankfurter Hauptbahnhof. Dort sortierte er Schallplatten mit elektronisch produzierter Musik in eine eigenständige Kategorie. „Ich wurde immer und immer wieder gefragt, wo man denn diese neue elektronische Musik im Plattenladen finde, und da es sich um eine technische Musik handelt, habe ich alles bisher Eingetroffene unter dem Reiter ‚Techno‘ sortiert.“ In den Achtzigern wurde er in der Tanzschule Kiel Blell fürs Auflegen gebucht. „Für 30 Mark …“, schmunzelt Talla. Er begann mit der Produktion eigener Stücke unter den Projektnamen Axodry und konnte daran anschließend mit den Nachfolgeprojekten Two of China und Moskwa TV erste Erfolge erzielen. Sein bekanntestes Projekt war damals Bigod 20. Und diese Stücke mischte er unter den Mainstream, für den die Tanzschule ihn beauftragt hat. „Dann wurde ich auf den Club No Name in der Innenstadt aufmerksam gemacht, ein undergroundiges, dunkles Loch … Daraus wurde 1984 der Technoclub. Das war für mich meine eigene Wiege der elektronischen Musik.“ Talla setzte wichtige Impulse für das Entstehen und die Entwicklung der deutschen Techno-Clublandschaft sowie der internationalen Trance-Szene. Er gehört zu den Gründern des Techno in Deutschland, u.a. neben Westbam, der, soviel sei verraten, neben vielen anderen zu seinen Jubiläums-Events kommen wird.
Ein guter DJ erzählt eine Geschichte
Aber zurück zum Anfang. Bands wir Kraftwerk brachten einen neuen, elektronischen Sound in die Clubs und der kam an. Techno boomte. Mehr und mehr Techno-Jünger zog es in die Clubs. Der wohl bekannteste damals und einer der größten Clubs Deutschlands: das Dorian Gray am Frankfurter Flughafen. Schnell stieg Talla zum Resident auf, neben Größen wie Sven Väth oder Bijan Blum. Der Boom hielt an, damit Geld zu verdienen, viel Geld, stand für viele an oberster Stelle. Er kritisierte die Kommerzialisierung der Musik. Zog sich zurück.
Mitte der 1990er Jahre hatte er ein Comeback als DJ und bei internationalen Raves. Als Technoclub-Gründer und Resident im Frankfurter Club Dorian Gray war er einer der meistgebuchten DJs in Deutschland. Der Technoclub hat nach vielen Stationen im MTW Club in Offenbach eine Heimat gefunden. Bis heute ist Talla 2XLC als DJ und Remixer aktiv, wird in Europa, den USA. und Südamerika gebucht. „In den USA. habe ich nach Deutschland die meisten Fans.“ Zusätzlich legt Talla 2XLC jeden ersten Donnerstag im Monat von 21 bis 23 Uhr in seiner Technoclub-Sendung bei Sunshine live Livesets auf.
Frankfurt war in den 1980ern DIE Techno-Hauptstadt der Nation, bis nach dem Mauerfall 1989 hungrige Kids nach Berlin pilgerten, auf der Suche nach einem neuen, revolutionären Erleben. „Frankfurt hatte die Kreativen, Berlin die großen Locations, um Party zu machen.“ Diesen Vorteil habe Berlin auch heute noch, zumal Frankfurt für die Clubszene viel zu wenig tue. „Hier brach alles weg. Stück für Stück.“ Und tut es noch. „Das U60311 steht seit zwölf Jahren leer. Dabei ist jeder Event gut für Frankfurt.“ Talla wurde die Ehrenplakette verliehen, Techno zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben. „Nun müssten Taten folgen …“ Das Gute sei heute, dass man, um zusammen kreativ zu sein, nicht mehr an einen Ort gebunden sei, dank Zoom und Co.
Wafa Tomalla
Nachwuchsförderung sei ihm sehr wichtig. Aktuell ruft er unter dem Titel „Frischzellenkur“ junge Musiker:innen zwischen 18 und 25 Jahren dazu auf, sich bei ihm zu bewerben (Tallaoffice@aol.com) Er supportet diese dann mit Kontakten zu Producern, möchte ihnen eine Chance geben. „So entwickelt er sich immer weiter, bleibt am Puls der Zeit“, sagt eine, die es wissen muss: Wafa Tomalla, seine Frau und Mutter seiner beiden Kids (16 und 11 Jahre alt). Sie selbst ist Technofan seit jüngsten Jahren, hat ihn jahrelang auf seinen Gigs überall auf der Welt begleitet, spielt eine entscheidenden Rolle beim Booking und Management. „Der Bass, der wie ein Herzschlag taktet, hat mich von Anfang an begeistert, er nimmt dich mit. Du fühlst es und es beflügelt dich.“ Kennengelernt haben sich Wafa und Talla 1998. „Es kommt zusammen, was zusammengehört.“ Wafa ist Model, Autorin von „Am Anfang war der Techno“ (19 €, Henrich Editionen) und Influencerin, obwohl sie sich selbst nicht als solche versteht. „Zur Musik bin ich gekommen, als ich zehn Jahre alt war, lange vor Talla. Sven Väth hörte ich viel. Ich komme aus dem Westerwald, wo es eine große Technogemeinde gibt, die dann auch an den Wochenenden nach Frankfurt gepilgert ist.“ Wafa liebt Mode, hat bei der „Frankfurt Fashion Lounge“ ihre eigenen Style gezeigt, die Mode, die sie in den Clubs getragen und aufbewahrt hat. Nun soll es eine eigene Designlinie werden. Ob es ihre Kreationen bald zu kaufen geben wird? Wafa arbeitet aktuell mit einer Designerin daran ...
Auf die Frage nach dem schönsten Erlebnis in all den Jahren erzählt Talla von einem Gig in Mexiko und von einem Publikum so voller Emotionen, dass es ihm bis heute Gänsehaut bereitet. Die Frage nach dem schlimmsten Erlebnis beantworten beide mit der Schließung des Dorian Gray. Auch die Pandemie war eine schwierige Zeit. „Die Clubs hatten als erste zu und als letzte wieder aufgemacht.“ Man habe zu Hause ein Studio aufgebaut und in den zwei Jahren fast 1.000 Stunden Livemusik gemacht, sich mit anderen DJs verknüpft. „Wie ein Rave online.“ Und man habe immer auch Spenden gesammelt, für Thailand nach dem Tsunami, bei der Katastrophe im Ahrtal und jetzt für die Ukraine. Eines sei noch angeteasert, es haben sich 70 Stunden authentisches Filmmaterial angesammelt, schlafend im Flug nach Tokyo, beim Soundcheck … Daraus könnte man einen Film … aber das sei (noch) Zukunftsmusik.
TALLA 2XLC presents RRAW!
Damals vom Industrial zum Trance, heute drei Styles unter drei Künstlernamen. „Ich möchte die Richtungen splitten und nicht wahllos mixen. Talla 2XLC ist Trance, Psytrance Goa mit Cyros Seven und das neue Projekt RRAW bietet Techno Crossover. Bei diesen fusioniert er harte Techno-Arrangements mit melodiösen Trance-Harmonien, streng limitiert auf 500 Exemplare, die jetzt schon fast ausverkauft sind. Das Publikum habe sich sehr verändert. Die Feierei und die Emotionen sind anders geworden. Auch gerade durch das Internet und Smartphones. Manche Künstler:innen sehen bei ihren Gigs nur noch Handys. Die Fans seien älter geworden – mit ihm – und doch kämen in letzter Zeit immer mehr junge Leute, um Oldschool-Techno zu hören. „Solange ich gesund bin, werde ich Gigs, werde ich den TechnoClub machen.“ Er trinkt seit Jahren keinen Alkohol, raucht nicht. „Auf den Reisen spiele ich mein Set, ruhe mich dann aus.“ Talla flog kurz nach unserem Gespräch in die Staaten. Wie es nach der Wahl nun auch für ihn dort weitergehe, gelte es abzuwarten.