
Foto: Linda Rosa Saal
Einem Ausflug in die Kallistus-Katakombe von Rom verdanken wir laut dem Autoren den vorliegenden „Roman“. Mit einem Lachkrampf stört ein junger Mann die dortige Totenruhe. Fortan muss er zwar nicht über den Tod, aber über die Gegensätze von Verschwinden und Unsterblichkeit nachdenken. Und so pilgert der Held auf den Spuren verstorbener Dichter und anderer Promis durch europäische Friedhöfe. Diese spinnerte Idee mündet in launigen Anekdoten über berühmte Tote und vergessene Normalsterbliche. Auf dem Frankfurter Hauptfriedhof sucht er Robert Gernhardt und stellt uns die Neue Frankfurter Schule vor. In München liegt eine dichte Schneedecke über Erich Kästner und Rainer Werner Fassbinder. In Hamburg-Ohlsdorf gibt es eine App, mit der man Roger Willemsen oder Harry Rowohlt finden kann. In Hamburg-Nienstedten liegen Hubert Fichte und Hans Henny Jahnn, die außerhalb der Szene schon langsam zu den verschwindenden Promis gehören. Ganz anders als Mozart in Wien, Kafka in Prag oder Goethe und Schiller in der Weimarer Fürstengruft. Die einjährige Reise endet, wo sie begann: in Rom. Bei einer Villa vor der Stadt liegt Senecas Grab. Und dort, wo einmal ein Raum war, ist jetzt ein Himmel. Leonhard Hieronymi, geboren 1987 in Bad Homburg, machte sich mit seinem Manifest „Ultraromantik“ einen Namen. Hier geht es um „tiefe Ebenen der Wahrheit in der Literatur“. Diese Ultra-Wahrheit könne durch die Zusammenlegung des Romantischen mit der Science-Fiction erlangt werden und voilà, die Science-Romantik sei geboren. Ein bisschen romantisch ist auch die aktuelle Geschichte, die einen jungen Flaneur auf Reisen schickt und unangestrengt durch die Jahrhunderte der Geistesgeschichte hüpft. Wer sich von der Lektüre inspirieren lässt und seinen nächsten Urlaub nicht am Strand, sondern auf dem Friedhof verbringen möchte, muss warten, bis Corona vorbei ist. In der Zwischenzeit tut es vielleicht auch ein Spaziergang auf dem Frankfurter Hauptfriedhof mit rund 60.000 Grabstellen, geöffnet von 7 bis 17 Uhr, sonntags erst ab 9 Uhr.
>> Leonhard Hieronymi: In zwangloser Gesellschaft, Hoffmann und Campe, 24 €