Die Ereignisse in Afghanistan überstürzen sich. Die Taliban mit ihren mittelalterlichen Ansichten haben die Macht übernommen, Millionen Menschen sind auf der Flucht. Hat der Westen versagt und das Land am Hindukusch im Stich gelassen? Der Journalist Emran Feroz hat in seinem Buch dazu Stellung genommen.
>> Der längste Krieg, Westend Verlag, 18 €, westendverlag.de, Instagram:@emran.feroz & Twitter: @Emran_Feroz
„In ‚Der längste Krieg‘ lassen sich all meine Einschätzungen, Recherchen und Analysen zur Lage in Afghanistan, auf die ich in zahlreichen Interviews und Texten in den letzten Tagen eingegangen bin, ausführlich und detailliert finden. Leider trat praktisch alles ein, was ich vorhergesagt hatte. Dass das Buch zu solch einer traurigen und deprimierenden Zeit erscheint, war nicht meine Absicht […]“, so Emran Feroz am Erscheinungstag seines Buches Ende August. Der österreichisch-afghanische Journalist berichtet seit Jahren über die Situation in Afghanistan, sprach mit Zivilisten, Politikern und den Taliban. Anders als seine westlichen Kollegen hat(t)e er direkten Zugang, lebt nicht in abgesicherten Hotels mit dicken Betonmauern. Feroz berichtet für Die Zeit, taz, Al Jazeera und die New York Times und ist Gründer von „Drone Memorial“ (dronememorial.com), einer virtuellen Gedenkstätte für zivile Drohnenopfer.
Seit 40 Jahren herrscht Krieg in dem heterogenen Vielvölkerstaat, in dem zahlreiche unterschiedliche Ethnien leben. Der Widerstand der Bevölkerung ist jedoch ungebrochen. Feroz analysiert scharfsinnig was genau sich in dem Land am Hindukusch abgespielt hat, welche Rolle der Westen spielt und wie es dazu kommen konnte, dass die Taliban nach 20 Jahren wieder die Macht an sich reißen. Er erklärt weshalb der „neokoloniale ‚Kreuzzug‘ Wunden hinterlassen hat, die womöglich niemals heilen werden.“ Und dass das Scheitern der Implementierung von Menschen- und Frauenrechten womöglich von Anfang an von den westlichen Mächten in Kauf genommen wurde. Emran Feroz will explizite afghanische Perspektiven auf die Konflikte der Vergangenheit aufzeigen, insbesondere seit dem Einmarsch der USA 2001. Denn mit dem von der Regierung Bush ausgerufenen „War on Terror“ wurden Folter und Massenmord praktisch legalisiert und Hunderttausende von Menschen für vogelfrei erklärt. Die westliche Berichterstattung erfolge durch die eurozentristische Brille: Feroz macht afghanische Sichtweisen der Geschehnisse deutlich und dekonstruiert einige der Märchen und Falschaussagen rund um die Afghanistan-Krieg, die bis heute in den westlichen Medien verbreitet werden. Er zeigt Orientalismus und Rassismus auf und erklärt dessen Geschichte anhand des Kontextes des „War on Terror“.
Afghanistan - Das verwundete Land
Die mediale Berichterstattung ist zurzeit beträchtlich, doch diese wird wieder abebben. Umso wichtiger ist es jetzt zu handeln, die Menschen in Afghanistan aktiv zu unterstützen, Solidarität mit ihnen zu bekunden. Auf der Website kabulluftbruecke.de kann man Abgeordnete direkt anschreiben, sich über Demos und Aktionen informieren und für den Schutz der Menschen in Afghanistan spenden.
Und man sollte sich informieren - folgenden Social Media-Accounts lohnt es sich zu folgen: @washasnaz (Waslat Hasrat-Nazimi, Journalistin, Head of the Afghan Service @dwnews), @wanalimar, @visionsforchildren, @afghanische.diaspora, @mooshtariii, @seebrueckeoffiziell, @zanevde(Verein zur Unterstützung afghanischer Frauen im Rhein-Main-Gebiet), @zamarinwahdat, @donmiladkarimi.
Die vierteilige Dokumentation auf der ARTE Mediathek „Afghanistan - Das verwundete Land“ bringt die Perspektiven von Afghanen aus der Diaspora zu Gehör. Noch mehr über das Land erfahren kann man in dem Kultur-Podcast von Deutschlandfunkkultur „Afghanistan – Was geht gerade verloren?“.