Am 21. Oktober öffnet das Jüdische Museum nach fünf Jahren Umbauzeit die Türen des sanierten Rothschild-Palais – und die des Neubaus! Das Jüdische Museum in Frankfurt war das erste Museum in Deutschland, das nach dem Holocaust, am 9. November 1988 eröffnete.
>> 21.10.20 Eröffnung>> 20.10.20-14.2.21 Sonderausstellung „Die weibliche Seite Gottes“, Di+Do 10-21/Mi/Fr-So 10-18 Uhr, juedischesmuseum.de
Auf rund 1500 Quadratmeter Ausstellungsfläche können Besucher*innen die jüdische Geschichte Frankfurts in der neuen Dauerausstellung „Wir sind jetzt. Jüdisches Frankfurt von der Emanzipation bis zur Gegenwart“ erfahren. Gemälde und Zeichnungen des 19. und 20. Jahrhunderts sowie Installationen, Fotografien und Filme zeitgenössischer Künstler*innen vermitteln gemeinsam mit interaktiven Stationen, Hands-on-Stationen und Touch-Objekten ein umfassendes Bild jüdischen Lebens. Und suchen Antworten auf Fragen „Wie wollen wir zusammenleben? Wie gehen wir mit Traditionen um? Welche Rolle spielt für uns das familiäre Gedächtnis?“.
Im Neubau ist ein neues Zentrum für jüdische Geschichte und Gegenwart entstanden, das auf rund 600 Quadratmetern Raum für Wechselausstellungen bietet. Zwischen dem Neubau (Lichtbau) und dem historischen Rothschild-Palais findet sich eine elf Meter hohe Skulptur von Ariel Schlesinger, die aus zwei in Aluminium gegossenen Bäumen besteht. Der neue Museumsvorplatz, seit 2019 Bertha-Pappenheim-Platz, ist die neue Adresse des Museums. Bertha Pappenheim war eine der führenden Sozialpolitikerinnen und Feministinnen ihrer Zeit und Mitbegründerin des Jüdischen Frauenbunds Anfang 1900.
Die Dauerausstellung im Rothschild-Palais vermittelt auf drei Etagen jeweils unterschiedliche Perspektiven auf die jüdische Geschichte und Kultur Frankfurts der letzten 200 Jahre. Im Mittelpunkt stehen dabei zentrale geschichtliche Ereignisse und Konflikte, religiöse Fragestellungen und die Geschichte und Erfahrungen einzelner jüdischer Familien. Wie beispielsweise die Geschichte der Familie Anne Franks. Objekte und Dokumente aus dem Besitz der Familie Anne Franks bespielen einen ganzen Raum. Die weltweit erste Präsentation von Alltagsgegenständen, Briefen, Gemälden und Fotos gibt einen Einblick in die familiäre Kultur Anne Franks.
Die Schau zeigt, wie Jüdinnen und Juden die kulturelle, wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt prägten und verdeutlicht gleichzeitig die jüdische Erfahrung von Diskriminierung und Gewalt. Frankfurt war einst und ist jetzt eines der wichtigsten Zentren jüdischen Lebens in Europa. Im September feierte der Zentralrat der Juden in Deutschland seinen 70. Geburtstag. Er war am 19. Juli 1950 in Frankfurt gegründet worden.
Besucher*innen des Jüdischen Museums erhalten persönliche Einblicke in die Vielfalt jüdischer Lebensentwürfe damals und in der Gegenwart. In Deutschland leben laut Deutschlandfunk Kultur derzeit schätzungsweise 250.000 jüdische oder jüdisch-stämmige Menschen. Praktizierende und bekennende Jüdinnen und Juden – von orthodox bis liberal, progressiv und natürlich auch Nicht-Gläubige. Modernes Judentum in Deutschland ist vielfältig. Die Schau zeigt die Pluralität jüdischer Lebensentwürfe. Sie startet mit der jüdischen Gegenwart und nimmt während des Rundgangs immer wieder Bezug auf aktuelle Themen. Fragen des Zusammenlebens, des Umgangs mit Traditionen und das familiäre Gedächtnis spielen dabei eine zentrale Rolle.
„Indem sich Jüdische Museen der Gegenwart zuwenden, rühren sie an dem gereizten Nerv unserer Zeit. Sie werfen die Frage auf, wie wir in einer zunehmend diversen und polarisierten Gesellschaft zusammenleben wollen und können“, so Professorin Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums.
Die große Image-Kampagne „Wir sind jetzt“, die im städtischen Raum und digital bereits im September zu sehen war, betont noch einmal mehr den Gegenwartsbezug und die aktuelle Relevanz der Museumsarbeit. Die Journalistin und Schriftstellerin Mirja Funk – eine der Protagonist*innen der Kampagne – geht in ihrer lesenswerten Kolumne „Jüdisch heute“ auf vogue.de der Frage nach der Präsenz jüdischer Kultur in Deutschland heute nach. Sie analysiert scharfsinnig die Entwicklung des Antisemitismus in Deutschland, das jüdische Leben und die dazugehörigen pluralistischen Identitäten jüdischen Lebens.
Bereits vor der Eröffnung launcht das neue Jüdische Museum seine Online-Sammlung. Neben digitalen Vermittlungsangeboten und der Social Media-Aktivitäten umfasst die Online-Sammlung 350 Objekte der neuen Dauerausstellung. Wer sich umfassend mit jüdischer Geschichte und Kultur befassen möchte, wird hier mehr als fündig. Damit unterstreicht die Sammlung „das Selbstverständnis des Jüdischen Museums als ein Kompetenzzentrum für die Erforschung jüdischer Geschichte und Kultur in Frankfurt und Europa.“
Das Gadget „Museum To Go“ ermöglicht Besucher*innen ausgewählte Elemente der Ausstellung digital mitzunehmen. Besucher*innen erhalten am Eingang und an weiteren Stationen der Ausstellung Karten. Via Interaktion an diesen Stationen können ausgewählte Filme, Fotos oder weitere Informationen auf einer personalisierten Website mit einem Zugangscodes abgerufen werden.
Die erste Sonderausstellung „Die weibliche Seite Gottes“ im neuen Lichtbaus des Jüdischen Museums startet am 20. Oktober 2020. Die Schau begibt sich auf die Suche nach der "weiblichen Seite Gottes" in den drei monotheistischen Religionen. Sie spannt einen kulturgeschichtlichen Bogen von archäologischen Figurinen, mittelalterliche Bibelillustrationen und Madonnenbilder der Renaissance bis hin zu Interpretationen zeitgenössischer Künstler*innen.