Florian Kunz ist im eigentlichen Leben seit elf Jahren Fachkraft für Veranstaltungstechnik. Doch Corona hat ihn und die gesamte Veranstaltungsbranche auf die Ersatzbank verwiesen. Genau aus diesem Grund entstanden (u.a.) die Kulturgesichter069.
„Der Ursprung der Kampagne startete in Hannover aus der Initiative #ohneunswirdsstill“, erzählt Florian Kunz. Ziel sei es, der Branche ein Gesicht zu geben nicht zuletzt für die Kolleginnen und Kollegen, die sich bewusst für einen Beruf neben oder hinter der Bühne entschieden haben und somit für die Öffentlichkeit unsichtbar seien. „Innerhalb kürzester Zeit, haben sich den Kolleg:innen aus Hannover zahlreiche weitere Kulturgesichter angeschlossen, sodass wir mittlerweile fast deutschlandweit vertreten sind.“ Die Kulturgesichter069 wurden in einem Fotostudio in Offenbach am Main abgelichtet. Der Fotograf Hans Lechner (digital-photo-gallery.com) ist selbst seit über 20 Jahren als soloselbstständiger Veranstaltungstechniker in der Branche aktiv und hat der Kampagne sowohl sein Studio als auch seine Zeit als Fotograf zur Verfügung gestellt. Binnen weniger Tage konnte die Initiative auf Facebook eine Reichweite von knapp 83.000 Personen und bisher insgesamt fast 250 Kulturgesichter vor der Linse erreichen. Der nächste Schritt: Die Kulturgesichter069 sollen als Collagen auf Plakate gedruckt und in Zusammenarbeit mit Veranstaltungslocations auf deren Werbeflächen plakatiert werden. Die Alte Oper Frankfurt, die Hugenottenhalle in Neu-Isenburg sowie das Capitol und die Stadthalle Offenbach haben bereits ihre Unterstützung in Form von Werbeflächen zugesichert.
(Florian Kunz, Veranstaltungstechniker
Wie geht es dir aktuell - beruflich und privat?
Nach nun fast neun Monaten „auf der Ersatzbank“ gewöhnt man sich – so erschreckend es ist –) ja irgendwie fast an alles. Die ersten Wochen waren sehr anstrengend, weil ich von einem sehr arbeitsintensiven Jahresbeginn von heute auf morgen eine Vollbremsung gemacht habe bzw. machen musste. Dann suchst Du dir natürlich alternative Aufgaben. Aber nach dem fünften Mal Fenster- putzen und Kelleraufräumen erfüllt einen das auch nur bedingt. Finanziell bin ich aufgrund meiner Festanstellung in Kurzarbeit und habe somit monatlich zumindest mal die Fixkosten gedeckt. Das ist zwar noch weit weg von dem optimalen Zustand, aber im Gegensatz zu den zahlreichen selbständigen Kolleginnen und Kollegen eine große Sorge weniger. Nichtsdestotrotz kann ich den Tag kaum erwarten, an dem ich endlich wieder arbeiten gehen darf!
Kulturgesichter069. Welche Resonanz hast du von Kolleg:innen, von der Politik, von Menschen allgemein bekommen?
Die Resonanz, die wir bekommen haben, spiegelt sich am besten im Andrang auf das Studio wider. Am ersten Shootingtag hatten wir elf Gesichter vor der Linse. Drei Tage später waren es 35 und nochmal zwei Tage später standen wir vor der Herausforderung, an einem Wochenende knapp 110 Gesichter zu knipsen. Da waren dann neben vielen guten Gesprächen auch zahlreiche Aufmerksamkeiten dabei, über die wir uns sehr, sehr gefreut haben. Ein bisschen Nervennahrung schadet ja nie. Bei der abendlichen Nachbearbeitung der Fotos und der Pflege unserer Social-Media-Accounts kam durch die Bank positives Feedback. Auch für unsere weiterführenden Projekte wurde uns aus zahlreichen Richtungen der Branche viel Hilfe angeboten.
Forderungen / Demos / Alarmstuferot – wie stehst du dazu?
Als Sprachrohr in Richtung der Politik hat unsere Branche mit der Alarmstuferot ein sehr engagiertes und gut aufgestelltes Bündnis. Die Kulturgesichter069 sehe ich eher als eine Art stillen, aber dennoch sehr präsenten und stetigen Protest. Da man sich innerhalb der Branche untereinander kennt, arbeiten wir natürlich eng mit der Alarmstuferot zusammen und versuchen uns auf Social Media gegenseitig bestmöglich zu pushen und zu bewerben.
Was erhoffst du dir von dem Projekt Kulturgesichter069?
Ich erhoffe mir von den Kulturgesichtern069 zum einen, dass diejenigen, die sich bewusst für einen Beruf neben oder hinter der Bühne entschieden haben, endlich gesehen und wahrgenommen werden. Das die Gesellschaft vor Augen geführt bekommt, wie unglaublich viele Menschen beispielsweise für ein Konzert, ein Festival oder eine Messe Hand in Hand arbeiten um dem Gast dieses „Wow-Erlebnis“ zu verschaffen, für das die gesamte Branche so leidenschaftlich brennt. Zum anderen erhoffe ich mir, die Sensibilität der Gesellschaft für Kultur und deren Systemrelevanz zu erreichen und zu stärken. Der Mensch ist ein soziales Wesen und braucht Begegnungen, Kunst und Kultur. Die Veranstaltungswirtschaft erbringt momentan ein Sonderopfer zum Schutze der Allgemeinheit, aber wenn es langsam wieder in Richtung Normalität zurückgeht und die Menschen nach Begegnungen und Kultur dürsten, bedarf es Leuten wie uns, die eben genau das erschaffen – auf, neben und hinter der Bühne. Wenn man durch die Kampagne unser aller Gesichter sieht und kennt, ist es schwieriger wegzuschauen.
Was sagst du der Querdenker-Bewegung?
Die Kampagne distanziert sich ganz klar von Corona-Leugnern, Querdenkern und Verweigerern der angeordneten Maßnahmen. Die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft trägt seit dem ersten Lockdown ein Sonderopfer zum Wohle der Allgemeinheit und fordert (wie z.B. auch die Kolleginnen und Kollegen der #alarmstuferot) angemessene und unbürokratische Hilfen seitens der Regierung.