Es ist ein zarter Film wie auch ein bildstarker, den Maryam Zaree produziert hat. Und es ist einer, der ihre ganz persönliche Geschichte erzählt. Im Oktober kommt „Born in Evin“ in die Kinos.
>> Filmpremiere: 9.10., Cinema, Frankfurt, 20.30 Uhr, arthouse-kinos.de
„Du wurdest im Gefängnis geboren ...!“ Es dauerte seine Zeit, bis die damals zehnjährige Maryam Zaree die Bedeutung dessen begriff, was ihr ihre Tante offenbarte. In dem Glauben, Maryam wüsste bereits von den Umständen ihrer Geburt. Ihre Mutter aber sprach nie darüber. Maryams Mutter, das ist die Frankfurter Politikerin Nargess Eskandari-Grünberg, die als junge Frau aus dem Iran floh vor den Schergen des Mullah-Regimes und am 24. Dezember 1985 mit ihrer zweijährigen Tochter an der Hand am Frankfurter Hauptbahnhof ankam. Sie zog ihr Kind alleine groß, studierte, ging in die Politik, heiratete den Psychoanalytiker Kurt Grünberg. Eine Bilderbuchintegration. Und auch Maryam machte Karriere, mit 18 Jahren ging sie nach Berlin und studierte an der Filmuniversität Babelsberg. Man kennt sie aus dem „Tatort“ (im Berliner Tatort spielt sie die Gerichtsmedizinerin Nasrin Reza) und „Polizeiruf 110“, aus Kinofilmen wie „Shahada“ und „Marry Me“. Oder aus der Serie „4 Blocks“, für die Darstellung der Ehefrau des Clanchefs erhielt sie 2018 den Grimme-Preis. Auch auf der Berlinale ist sie mit „Systemsprenger“ und „Weitermachen Sanssouci“ dabei.
Mayryam Zaree wagte sich nun an eine Geschichte, die privater kaum sein könnte. An die ihrer Geburt. „Born in Evin“ ist ihr passiert. In ihrem Dokumentarfilm geht die 35-Jährige auf der Suche nach Antworten, Antworten auf Fragen, die sie sich nie traute ihrer Mutter zu stellen. „Meine Mutter hat nie über die Umstände meiner Geburt mit mir gesprochen.“ Die Eltern von Maryam hörten die Rolling Stones, lasen „Das Kapital“ und kämpften für die Revolution im Iran, um den Schah zu stürzen. Doch der Traum von einem freien, gerechteren Leben geriet zum Albtraum. Nach Machtübernahme der Mullahs wurden ihre Eltern als politische Oppositionelle verhaftet und in das gefürchtete Gefängnis Evin in Teheran verbracht. Nargess war schwanger, ihr Kind wurde 1983 im Gefängnis geboren.
„Irgendetwas an meiner Geburt war nicht persönlich.“
Eine Ahnung davon, was dies bedeutete, war eine harte Landung für Maryam, die sie im Film mit einem Fallschirmabsprung in der Wüste darstellt. Sie war als 22-Jährige auf einer Reise durch Marokko, die Musik im Reisebus löste bei ihr eine Panikattacke aus. Ihr Vater, der Jahre später aus dem Iran fliehen konnte, erzählte ihr von Foltermethoden durch ununterbrochenes Abspielen von Koransuren. Eine erste Erinnerung? Was aber geschah mit ihr, mit ihrer Mutter? Maryam machte sich auf die Suche, trifft Exiliraner überall auf der Welt. Sie wird sich bewusst, dass ihre Arbeit eine Stimme ist für die vielen Menschen, die das Furchtbare in Evin und anderen Foltergefängnissen er- und überlebt haben. Die gehört werden wollen. „Es gab so viele Tränen …“ Und sie versucht damit das Schweigen der Elterngeneration zu brechen. Nicht nur der ihrer Eltern. „Wer traut sich schon, seine Eltern oder Großeltern zu fragen, was deren Rolle in der Vergangenheit war, aus Angst vor einer schrecklichen Wahrheit, mit der man nicht umgehen kann.“ Gestützt von traumhaft wirkenden Sequenzen teilt Maryam mit ihren Zuschauer*innen die Reise, die sie macht. Zeigt Videoausschnitte, die die Familie dem Vater geschickt hat, bevor er freikam. Und dann traut sich Maryam ihrer Mutter Fragen zu stellen, taucht tief ein in ihr Innerstes. „Wurde ich ihr weggenommen oder durfte sie mich sehen nach der Geburt?“ „Wie oft?“ „Oder musste sie bei meiner Geburt eine Augenbinde tragen?“ „Wie kam meine Mutter frei?“ „Wo war ich da?“
Ja, es sei ein sehr persönlicher Film, aber „Born in Evin“ sei auch politisch. Es sei ihre Aufgabe mit ihrer Kunst Botschaften zu übermitteln und Unaussprechliches zu Bildern werden zu lassen. Geflüchteten damals wie heute ein Gesicht zu geben, um als Menschen wahrgenommen zu werden. Sie wolle mit ihrer Dokumentation eine Botschaft an die Politik übermitteln.
Der Iran ist ihr fremd. „Ich bin Deutsche, auch wenn ich das oft dazusagen muss.“ „Für mich ist es eine Verpflichtung, meine Kunst zu nutzen, um das Fremde erfahrbar zu machen“, Für sie ist es eine Plattform, die Öffentlichkeit für diese bis heute kaum aufgearbeiteten Menschenrechtsverletzungen schafft. Maryam Zaree möchte mit ihrem Dokumentarfilm „Born in Evin“ bewegen und das wird sie. Nun hat die 35-Jährige beim 30. Hessischer Film- und Kinopreis 2019 den Newcomerpreis erhalten. Darüber freue sie sich besonders. Denn obwohl Berlin seit so langer Zeit ihre Heimat sei, so lächelt sie doch bei dem Gedanken an Frankfurt. Hier sei eine multikulturelle Gesellschaft seit so langer Zeit etabliert und zusammengewachsen, wie in kaum einer anderen Stadt. Und auch aus diesem Grund wird „Born in Evin“ Anfang Oktober (9.10., Cinema) erst mal dem Frankfurter Publikum vorgestellt, bevor dieser seine Reise durch die Republik antritt. Darauf freuen wir uns, auch oder gerade mit dem Wissen, dass es Tränen geben wird. Auch unsere.