
Holocaust. Wie erzählt man jungen Menschen nach über 75 Jahren davon? Wie bringt man Kindern und Jugendlichen verständlich nahe, was es bedeutet hat, Jude oder Jüdin in Nazi-Deutschland gewesen zu sein? Der Animationsfilm „Wo ist Anne Frank“ bringt die Traurigkeit der Geschichte sensibel auf die Leinwand, indem Regisseur Ari Folman Kitty, Annes imaginäre Freundin, an die sie ihre Tagebuch-Einträge richtet, erstmals zum Leben erweckt.
Eine eisige Nacht in Amsterdam. Im Hinterhaus der Prinsengracht 263, in dem sich die Familie Frank in den Jahren 1942 bis1944 vor den Nazis versteckte und das heute ein Museum ist, geschieht etwas Seltsames: Annes Tagebuch wird lebendig und mit ihm Kitty, das Mädchen, das Anne erfand, weil sie es sonst komisch gefunden hätte, ihre Gedanken einem leeren Buch anzuvertrauen. 75 Jahre später geschieht im Anne-Frank-Haus ein Wunder: Der schützende Glaskasten, in dem das berühmte Tagebuch liegt, zerbirst in einer stürmischen Nacht, und als ein Tropfen Tinte über die wertvollen Seiten läuft, erwacht eine 14-jährige zum Leben. Es ist Kitty. Nachdem sie Anne vergeblich gesucht hat, nimmt Kitty das Tagebuch an sich und verlässt das Haus in der Prinsengracht, das inzwischen ein Museum ist, um ihre Freundin zu finden. Mutig und frei verfolgt das rothaarige Mädchen Annes Spuren, vom Hinterhaus bis zu ihrem tragischen Tod im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Mit Hilfe von Peter, einem Jungen, der eine geheime Unterkunft für Geflüchtete ohne gültige Aufenthaltspapiere betreibt und sich zusammen mit anderen geflüchteten Kindern in einem verlassenen Haus versteckt, kommt Kitty der Wahrheit auf die Spur … Verwirrt von Europas zerrütteter Welt und den Ungerechtigkeiten, denen Flüchtlingskinder ausgesetzt sind, möchte Kitty Annes Ziel verwirklichen. Sensibel wechselt der Film zwischen der Realität Annes und der von Kittys. Die eindringlichen Bilder berühren und lasen das Grauen lebendig werden.
Was können wir von Anne Frank lernen?
Anne-Frank-Brücke, Anne-Frank-Krankenhaus, Anne-Frank-Theater ... Wie in Trance wiederholt Kitty auf ihrer Odyssee durch das heutige Amsterdam die Benennungen der Gebäude, wieder und wieder begegnet ihr der Name der verschwundenen Freundin im Stadtbild. Aber wo ist Anne? Kittys Suche personifiziert die zentrale Frage des Films: Was bedeutet Anne Frank heute noch? Was können wir aus ihrem Leben und aus ihrem Werk lernen? Der israelische Regisseur und Drehbuchautor Ari Folman widmet sich in seinem neuesten Filmprojekt der bewegenden Geschichte von Anne Frank. Gemeinsam mit der Zeichnerin Lena Guberman hat Folman bereits die Graphic Novel „Wo ist Anne Frank“ erschaffen, die gleichnamige filmische Adaption feierte 2021 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes Weltpremiere. Anne Franks Cousin Buddy Elias , der am 16. März 2016 starb und selbst ein berühmter Schauspieler war, brachte mit dem Anne Frank Fonds Basel den Animationsfilm „Wo ist Anne Frank“ auf den Weg.
„Wo ist Anne Frank“ versucht die Willkür der Judenverfolgung zu erklären, zählt aber auch andere historische Beispiele auf wie etwa den Genozid an den Armenier:innen, die belegen, dass das Thema gegenwärtig ist. Der Film könnte polarisieren, spannt Regisseur Ari Folman des Öfteren den Bogen zwischen Vergangenem und Gegenwärtigem. Zeigt Parallelen zwischen dem Schicksal der Familie Frank und der Situation heutiger Geflüchteter. In einer Szene wird erlebt der Zusehende, wie die Polizei auf der Straße ein dunkelhäutiges Kind einfängt, in einen Wagen sperrt und aufs Revier bringt. Wie die Familie Frank müssen auch die illegal eingewanderten Jugendlichen um Kittys Freund Peter jederzeit fürchten, in ihrem Versteck entdeckt und in ihre sogenannten sicheren Herkunftsländer abgeschoben zu werden. Der Film mag in seiner Umsetzung naiv daherkommen, seine Botschaft aber ist nur allzu verständlich: Nichts ist wichtiger, als Menschenleben zu retten. Durch ihren Wagemut vermittelt Anne/Kitty künftigen Generationen Hoffnung und Toleranz. ((Im Kasten))
Historie Anne Frank, am 12. Juni 1929 in Frankfurt geboren, emigriert 1933 mit ihren Eltern nach Amsterdam und versteckte sich dort mit ihrer Familie in einem Hinterhaus der Firma von Otto Frank. Ihrem Tagebuch vertraut die 13-jährige Anne während dieser Zeit ihre Gefühle und Gedanken an, beschreibt ihren Alltag im Versteck und die erdrückende Angst vor der Entdeckung. Das Tagebuch endet am 1. August 1944: Familie Frank wird nach Auschwitz deportiert und dort getrennt. Anne Frank und ihre Schwester Margot sterben sieben Monate später im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Otto Frank, der Vater von Anne und Margot, ist der einzige Überlebende aus dem Hinterhaus. Nach dem Krieg erhält er die Tagebücher seiner Tochter und publiziert 1947 erstmals Auszüge daraus.
