Schöne Seelen tun sich schwer in einer verrohten Welt. Seit Iphigenie Priesterin im Tempel der Diana ist, werden auf Tauris keine Fremden mehr getötet. Doch als sie das Werben König Thoas verschmäht, verlangt dieser die alten Bräuche zurück. Er besteht darauf, zwei gefangen genommene Männer der Göttin zu opfern. Es sind ausgerechnet Iphigenies Bruder Orest und dessen Freund Pylades. Ihr Versuch, deren Tod mit Tricks zu verhindern, stürzt sie in quälende Zerrissenheit. Als sie Thoas die Wahrheit bekennt und an seinen Edelmut appelliert, schwingt sich der Herrscher tatsächlich zu menschlicher Größe auf. Er lässt die Geschwister ohne Groll von dannen ziehen. Mit Blick auf die frappierende Aktualität des Dramas hält sich Willy Praml treu an Goethes Text, den er freilich ebenso zeitgemäß wie einfallsreich auf die Bühne bringt. So wird Iphigenie etwa in größter Seelennot auf der Toilette hastig eine Zigarette paffen. Von Birgit Heuser, Jakob Gail und Michael Weber mit packender Intensität gespielt, schickt die Inszenierung den Besucher nach knapp zwei pausenlos-fesselnden Stunden mit der Frage nach Hause: „Kann Humanität den Schrecken dieser Erde überwinden?“
Doris Stickler
>> 15.-16./21.-23./28.-30.4., Theater Willy Praml, Frankfurt, 20 Uhr/17.4., 19 Uhr, 18, erm. 14/9 €, Frankfurt-Pass 7 €, Infos & Tickets: (069) 43 05 47 34
Foto.Seweryn Zelazny