
Seit 2003 ist das 1979 gegründete English Theatre im Gallileo-Turm an der Ecke Kaiserstraße/Gallusanlage im Herzen der Stadt beheimatet. Nun ist diese Spielstätte in Gefahr, weil der Mietvertrag des Theaters mit der Commerzbank zum 15. April 2023 ausläuft.
>> english-theatre.de/etf-campaign/
„An eine andere Spielstätte möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht denken“, sagt Daniel Nicolai, seit 2002 Intendant des English Theatre, und ergänzt „jedes Bild braucht einen passenden Rahmen.“ Um die Spielstätte im Gallileo-Turm auch in Zukunft zu erhalten, hat das Theater auf der Petitionsplattform change.org unter dem Titel „To Be – Or Not…?“ jetzt die Petition #TheETFMustStay gestartet, die bereits mehr als 9.000 Menschen unterschrieben haben (Stand: Ende Oktober 2022). Viele verbinden sehr persönliche Erinnerungen mit dem Theater, so schreibt eine Unterzeichnerin, sie habe die Petition unterschrieben, „weil ich damals in der Schulzeit den Besuch im English Theatre („The complete American history – abridged“) in solch guter Erinnerung behalten habe, dass ich den seltsamen Namen des Theaterstücks noch weiß! Meine Schulzeit endete 2006, es ist lange her und hat offensichtlich Eindruck hinterlassen! So ein Theater sollte nicht schließen müssen!“ Auch die hohe Qualität der Inszenierungen des ETF wird vielfach gelobt, eine Unterzeichnerin schreibt, sie habe „hier schon so manchen tollen Abend verbracht (...) ETF muss bleiben“.
Broadway in Frankfurt
Das English Theatre Frankfurt (ETF) ist in einer international geprägten Stadt wie Frankfurt ein repräsentativer kultureller Leuchtturm, es bringt den Glamour des Broadway nach Frankfurt. Musical- und Theaterinszenierungen auf höchstem Niveau, sowohl Klassiker als auch moderne Stücke, Komödien und Thriller, gehen mit wechselnden Ensembles Saison für Saison über die Bühne, am 12. November feiert das Musical „Sister Act“ Premiere (siehe Ankündigung auf Seite 49). „Mit unserem Programm tragen wir maßgeblich zur Belebung der Innenstadt bei“, sagt Daniel Nicolai. „Prä-Corona“ habe das Theater jährlich 70 000 Besucherinnen und Besucher begrüßt. Zu den Aktivitäten des ETF gehört auch ein umfangreiches Bildungsprogramm für Schüler:innen. Sollte das Theater schließen müssen, wäre der Verlust riesig.
Wechselvolle Geschichte
Doch die Spielstätte ist nun in Gefahr, denn der jetzige Mietvertrag im Gallileo Trum läuft zum 15. April 2023 aus. Um zu verstehen, wie es dazu kommen konnte, muss man die wechselvolle Geschichte der 2003 fertiggestellten Immobilie kennen, dessen Untergeschoss das ETF im selben Jahr bezog. Die Dresdner Bank hatte den Bau des Theaters im Souterrain des Turms großzügig unterstützt und stellte die Theaterräume dem ETF mietfrei zur Verfügung. Dies gemäß einer Vereinbarung zwischen der Dresdner Bank und der Stadt Frankfurt aus dem Jahr 1999, die eine kulturelle Nutzung im Untergeschoss des Gallileo Turms vorschrieb. 2009 fusionierte die Dresdner Bank mit der Commerzbank AG, die Eigentümerin und Vermieterin des Gebäudes wurde und die Räume weiterhin mietfrei zur Verfügung stellte. 2015 verkaufte die Bank das Gebäude an den mit Hauptgeschäftsstelle in Singapur international agierenden Investmentfonds CapitaLand. Seitdem ist die Commerzbank Mieterin des Gallileo Turms und das ETF Untermieter, doch die Commerzbank hat den eigenen Mietvertrag zum 31. Januar 2024 gekündigt und beendet mit dem Auszug auch das Sponsoring des ETF. Es sei notwendig, den Vertrag mit dem Theater zum 15. April 2023 zu kündigen, um „die mietvertraglichen Rückgabe- und Rückbaumodalitäten (zu) gewährleisten“, heißt es in einer Pressemitteilung der Bank. Man sei dem Theater mit diesem Termin entgegengekommen, denn ursprünglich sollte der Mietvertrag nur bis zum 31. Dezember 2022 laufen, das sei seit sieben Jahren bekannt. „Die letzte Vorstellung des Musicals ,Sister Act' findet Anfang April statt. Damit bewährt die Commerzbank das Theater vor dem vorzeitigen Aus“, formuliert die Pressestelle der Commerzbank. Daniel Nicolai dazu: „Wir waren in gutem Glauben, dass wir einen Anschlussmietvertrag bekommen.“
Stadt gibt Rückendeckung
Die Verlängerung des Mietvertrags gestaltet sich jetzt schwierig, denn die Sichtweisen der Beteiligten auf die Sachlage sind unterschiedlich. Da die Commerzbank AG bis Ende Januar 2024 einen Mietvertrag für das gesamte Gebäude hat, könne das ETF keinen neuen Vertrag mit dem Eigentümer, dem Investmentfonds CapitaLand, schließen, beschreibt das Theater seine missliche Situation und fragt: „Was soll nun mit dem Theater in der Zeit zwischen dem 15. April 2023 und dem 31. Januar 2024 geschehen? Und wie geht es ab Februar 2024 weiter?“ Das ETF fordert die Weiterführung des Mietverhältnisses als Untermieter der Commerzbank AG oder als Mieter von CapitaLand. Doch die Commerzbank stellt in einer Pressemitteilung klar: „Ob das English Theatre über den 15. April 2023 hinaus im Gallileo-Hochhaus bleiben kann, ist allein zwischen dem jetzigen Eigentümer und dem English Theatre zu klären“, bei einer „frühzeitigen Einigung“ zwischen ETF und CapitaLand sei die Bank bereit, „für den Gebäudeteil des Gallileo-Hochhauses, in dem das Theater untergebracht ist, vorzeitig aus dem Mietvertrag mit dem Eigentümer zurückzutreten, so dass eine nahtlose direkte Anmietung durch das English Theatre möglich würde.“ Die Stadt gibt dem ETF Rückendeckung. Ina Hartwig, Dezernentin für Kultur und Wissenschaft (SPD), formuliert ihre Position so: „Das English Theatre hat als größtes englischsprachiges Theater in ganz Kontinentaleuropa eine herausragende Bedeutung für unsere Stadt. Es freut mich daher sehr, dass der Verbleib des English Theatre in seinen Räumen ist bis zum 15. April 2023 gesichert ist. Ich setze darauf, dass der Eigentümer der Immobilie, die Firma Capitaland, und die Mieterin, die Commerzbank, auch für die Zeit danach eine Vereinbarung treffen werden, die den Verbleib des English Theatre ermöglicht.“ Dafür werde sie sich als Förderin des Theaters weiter einsetzen. Mike Josef, Frankfurter Dezernent für Planen, Wohnen und Sport (SPD), bestätigte kürzlich, dass die Vereinbarung zwischen der Dresdner Bank und der Stadt Frankfurt über die Nutzung des Souterrains im Gallileo Turm als Spielstätte für ein Theater auch für „Rechtsnachfolger“ wie den jetzigen Eigentürmer CapitaLand gelte. Es bleibt abzuwarten, ob CapitaLand sich in der Pflicht sieht und ob die mehr als 20 Jahre zurückliegende vertragliche Vereinbarung rechtsgültig ist. Laut „Frankfurter Rundschau“ will CapitaLand erst nach Januar 2024 Mietoptionen für das Gebäude erkunden. Für das ETF ist das viel zu spät. „Die Spielstätte im Basement des Gallileo muss erhalten bleiben; und es liegt in der Verantwortung von Commerzbank und CapitaLand gegenüber den Frankfurtern, Hessen und der internationalen Community, dafür eine Lösung zu finden“, fasst Daniel Niclolai die Position des Theaters zusammen.
Via Petition ist es für jede:n möglich, sich für den Erhalt des English Theatre Frankfurt im Gallileo Turm einzusetzen: https://english-theatre.de/etf-campaign/
Historie
Das English Theatre Frankfurt (ETF) wurde 1979 gegründet und ist nach wechselnden Spielstätten seit 2003 im Untergeschoss des Gallileo Hochhauses im Bahnhofsviertel beheimatet. Es verfügt über eine sehr moderne Ausstattung und ist mit 300 Plätzen das größte englischsprachige Theater auf dem europäischen Kontinent. Pro Saison produziert das ETF mindestens fünf eigene Shows, darunter ein Musical. Eine Schauspielproduktion läuft täglich außer montags etwa sechs Wochen lang, ein Musical hat in der Regel eine Spielzeit von zwölf Wochen. Das ETF hat kein festes Ensemble, sondern besetzt die Schauspieler:innen, in aller Regel Muttersprachler:inen aus England oder den USA, für jede Produktion neu.