„Die wahre Liebe“ ist ein zunehmend hinterfragtes und immer häufiger auch scheiterndes Konzept der gegenwärtigen Popkultur. Hollywood-Poet Terrence Malick widmete sich beispielsweise schon vor einigen Jahren in seinem Film „To the Wonder“ gleich aus mehreren Perspektiven der Frage nach dieser Liebe: Ein Pfarrer zweifelt an seinem Glauben zu Gott, ein Ehepaar streitet, findet wieder zusammen und lässt sich schließlich doch scheiden, und auch eine Affäre der Hauptfigur zu seiner Jugendliebe scheitert. Wie Liebe heute funktioniert und funktionieren kann, zeigt Judd Apatows neue Netflix-Serie „Love“.
Liebe im Jahr 2016
Hollywood scheint zunehmend zu reflektieren, wie Liebe heute funktioniert – oder eben nicht. In Zeiten von Dating-Apps, mit denen Partner im Sekundentakt gesucht und gefunden werden, geht alles viel schneller. Das erkennen auch die zwei Hauptfiguren Mickey und Gus in „Love“. Bezeichnend eine Szene, in der die beiden darüber sprechen, was bei einem ersten Date „okay“ ist. Das Ergebnis: „Blowjobs sind das neue Rumknutschen“. Eine nüchterne Analyse, wie schnell Liebe im Jahr 2016 funktioniert: Alles rast im Wahnsinnstempo, muss es auch, Stehenbleiben ist bei der immerwährenden Suche nach dem perfekten Partner keine Option. Von „karmischer Liebe“ scheint keine Spur mehr zu sein. Diese ist laut einem Artikel von Questico mit der Seelenverwandtschaft zwischen zwei Menschen erklärbar. Frühere Hollywood-Produktionen haben Liebe viel öfter karmisch und über den Tod hinaus funktionieren lassen, bestes Beispiel: „Ghost – Nachricht von Sam“. Die zwei Protagonisten aus „Love“ finden an einem ganz unromantischen Ort zusammen, fangen sich auf und helfen sich mit Humor „über die gröbste Melancholie hinweg“.
Tankstellen-Romantik
Sie stellen sich dem Beschleunigungs-Trend ihrer Zeit entgegen und bleiben stehen: An einer Tankstelle, einem Ort, an dem selbst die Autos – als Sinnbilder dieses Trends – stehenbleiben müssen, lernen sie sich kennen. Sie bleiben beieinander und kämpfen sich gemeinsam durch den Großstadtdschungel von Los Angeles. Zwar konstatiert dieSüddeutsche Zeitung, die Serie sei „ab und an etwas zu langsam, zu peinlich, zu unerträglich hoffnungslos, und dann doch wieder sehr komisch und versöhnlich“ sei. Vielleicht muss die Serie allerdings „langsam“ und „peinlich“ sein, um gegen die Schnelligkeit von L.A. und Hollywood zu erzählen. Judd Apatow ist auf dem Gebiet bodenständiger Liebesgeschichten schließlich ein Spezialist: Schon die von ihm produzierte Serie, Freaks and Geeks, die nach nur einer Staffel abgesetzt wurde und mittlerweile als Kult gilt, widmete sich den Underdogs an einer amerikanischen High-School. Keine Cheerleader und Footballer auf dem Sprung zur Profikarriere, sondern Außenseiter mitten aus dem Leben gegriffen, spielen die Hauptrollen – sie leben und lieben realistisch: ganz wie die zwei Mittdreißiger in „Love“.
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